So schön es hier auch ist, bei Mensch und Natur, ich will weiter. Bronnoysund soll der nächste Etappenhalt sein. – Kaum ausgesprochen, werden wir darauf hingewiesen, dass auf dem Weg dahin einmal mehr ‘aussenrum’ gefahren werden muss, dass also kein Weg durch die Inselwelt hindurch (und geschützt vom Atlantik) führt. Und ‘aussenrum’ lauern immer auch Gefahren… Es sei besser, diese Strecke ab einem Gewissen Ort im Konvoy zu befahren. Die Küstenwache führt diesen Konvoy an, und man fährt möglichst geschlossen um die heiklen Stellen, richtet sich also nach dem Schwächsten im Glied.

Wir haben diese Empfehlung vor Tagen schon einmal gehört, den Besammlungsort aber nicht gefunden oder zeitlich verpasst oder was weiss ich – und sind gut durchgekommen. Nicht dass ich diese Warnungen nicht ernst nähme, aber ich sehe auch, mit welchen Booten man hier draussen rumkurvt. Verrückte Kerle, denke ich oft.

Die ArgoFram ist stabil. Die ArgoFram ist bestens motorisiert. Und wenn ich meine Angst im Griff habe, bin ich ein tauglicher Kapitän (erst recht, wenn ich jemanden heil an den nächsten Ort bringen muss). – Ich lasse mir die ominösen Stellen auf der Karte zeigen, und als wir dort vorbeikommen, fahre ich einfach weiter. Die Strömungen machen dem Boot nichts aus, die Winde sind moderat, der Regen ist und macht weiterhin nass, alles gut.

Bei Rorvik fahren wir durch eine enge Passage, und kommen erneut ins offene Meer hinaus, fahren ‘hinter’ einer Insel im geschützten Bereich und erneut durch offenes Gewässer, bis wir bald schon in Bronnoysund sind: ein einladender Ort, irgendwie auf einer Landzunge mit dem Festland verbunden und doch auch verteilt auf vorgelagerte Inseln. Der Stadtteil, wo unser Hafen liegt, scheint neu, sieht modern aus, mit eindrücklichem Einkaufszentrum gleich nebenan. Aber Toilette oder Dusche? Fehlanzeige!

Dafür treffen wir an unserem Steg einen Segler, mit dem wir rasch ins Gespräch kommen. Er scheint sehr erfahren zu sein, war schon sechs Mal auf Spitzbergen – was uns irgendwie verbindet. Immerhin war ich vor genau 40 Jahren dort, 1982, als es noch keine Touristendestination war. Und wir ein Gewehr mitführen mussten (weil Eisbären zuweilen die Mistkübel der Bewohner durchwühlten, wenn sie sehr hungrig waren). Dieses Spitzbergen, oder Svalbard, übt natürlich einen gewissen Reiz aus, jetzt wo die Grenze nach Russland noch immer geschlossen ist…

Gedanken bloss… Und doch hänge ich ihnen nach. – Wir besprechen die Möglichkeit, bei der Bäreninsel zwischenzuhalten, vorgängig gegebenenfalls ein Treibstoffdepot einzurichten… Denn dass ich 500 km weit fahren kann, haben wir gesehen: von Larvik nach Haugesund. Theoretisch möchte ich nichts ausschliessen… Es kribbelt!

Meine Turnübungen verrichte ich gleich beim Hafen. Denn es tut sich ein Sonnenfenster auf, das sofort wahrgenommen werden muss! – Wenn die Sonne durchkommt, wird schlagartig alles anderes. Auch wenn es nur für eine halbe Stunde ist: ich will mich bewegen, Luft tanken, Velo fahren und die Umgebung erkunden… Und entdecke dabei einen Felsbrocken mit einer Art Wegweiser, der darauf hinweist, dass hier der Mittelpunkt Norwegens sei (wenigstens des Festlandes). Das heisst: von der südlichsten Spitze Norwegens bis hierher ist es genau so weit, wie von hier bis zum Nordkap!

Eine endlos lange Küste. Da bleibt noch einiges zu tun…