Bei Regen ins Bett – bei Regen wieder auf, und weiter… Unser Nachbar, der Kajak-Abenteurer, ist auch schon auf, isst noch einmal tüchtig, zwängt sich in seinen Trockenanzug, und zieht mit eleganten, kraftvollen Armstössen hinaus in den Sund… wahnsinnig, imponierend. Was für ein Kerl!

Wir haben’s viel gemütlicher: starten die Maschinen, drehen am Steuerrad, navigieren per Autopilot – und sind nach wenigen Stunden schon in Bessaker, rund 150 km weiter.

Bessaker ist wieder so ein kleiner Ort mit guter Infrastruktur, reizendem Hafen und einem Ladengeschäft mit integrierter Post, integriertem Kaffee und integrierter Bibliothek. Eines für alles, und alle. Selbstredend ist der Inhaber auch Hafenmeister, Tankwart und gutmütiger Touristenführer. Und seine Frau ermöglicht uns, bei Ihr privat eine Dusche zu nehmen und unsere Wäsche zu waschen! Zu Gast bei Freunden, müsste man sagen.

Auf unseren Rundgängen bemerken wir Hobby-Fischer, die mit reichem Fang zurückgekommen sind und nun ihre Beute ausnehmen, sorgfältig filetieren, ein Bier trinken dazu und ihr Werk stolz zur Schau stellen. Und gerne mit uns plaudern: Zuchtfisch? Komme nicht in Frage – wenn immer es geht, gehen die Freunde hinaus in die See und werfen die Rute aus, bedienen sich entlang der Küste. Die Gewässer sind reich an Fischen – solange man mit der Rute fischt. Was nichts anderes heisst als: jeden einzelnen Fisch auffinden, anlocken, anbeissen lassen, hochhieven, kühl halten (was derzeit kein Problem ist), und nun ausnehmen…

Natürlich steht der Ertrag in keinem Verhältnis zum Aufwand. Aber nur Wildfang ist echter Fisch, ist reichhaltiges Protein und wertvolles Fett, und beste Energie für ein starkes Lebensgefühl. So ihre Überzeugung – so wie es sich gehört.

Neben dem Hafen beginnt ein sorgfältig angelegter Spazierpfad, meist auf Stegen aus Holzlatten, um den empfindlichen Untergrund nicht weiter mit Tritten zu belasten. Besucher von nah und fern fühlen sich von diesem Steg eingeladen, auf einen langgezogenen Hügel hochzusteigen und die Aussicht über die Fjorde und den Sund zu geniessen. Von weit her sehen wir das Linienschiff der Hurtigruten auf Bessaker zukommen. Aber bedient wird dieser Küstenort nicht mehr, wie uns der Hafenmeister/Ladenbesitzer/Touristenführer erklärt hat. In seiner Jugend machten diese Schiffe hier noch Station und brachten die Post und andere wichtige Güter, aber seitdem eine Brücke gebaut und der Ort mit einer Strasse erschlossen worden ist, fährt dieses Schiff nur noch vorbei – nicht ohne jedes Mal mit einem Stoss aus dem Signalhorn einen Gruss auszusenden. So auch jetzt, Traditionen!

Bald entschwindet dieses robuste, heute zum beliebten Touristenschiff mutierte ehemalige Postschiff (am besten zu vergleichen mit unseren Postautos). Wir bleiben noch eine Weile hier oben und lassen unsere Blicke mit dem Wind in die überwältigende Ferne schweifen. – Lois beobachtet als passionierte Ornithologin ‘ihre’ Vögel; ich versuche mir vorzustellen, wie das Leben hier gewesen sein muss, bevor Oel gefunden und Lachse gezüchtet worden sind. Und bin dankbar, dass unsere Vorfahren nie aufgegeben haben, auszuharren und dem rauen Klima die Stirn zu bieten. – Die würden sich wundern, um wieviel besser das Leben inzwischen geworden ist. Und darum nicht verstehen, dass junge Menschen sich heute als ‘letzte Generation’ wahrnehmen, sich in Endzeitstimmung aufgeben, alle Errungenschaften der Moderne verteufeln und unseren Wohlstand ‘überwinden’ möchten… Wie überheblich muss man sein, wie ignorant, wie dumm!