Ja, es ist geglückt: ich bin um Europa herumgekommen, alles auf dem Wasserweg, mit einem Schlauchboot, der ArgoFram! Nach drei Etappen bin ich hier in Marseille angekommen und habe damit den Kreis geschlossen – glücklich, und ausgelaugt. Rémis hat dies erkannt (ohne mich zu kennen) und mich zur Raison gebracht. Merci!

Damit ist dieses Kunstwerk – alle wichtigen Begegnungen an allen Häfen während der dritten Etappe zu portraitieren, das Verbindende hervorzuheben und in einen fortlaufenden Zusammenhang zu stellen – zustande gekommen und abgeschlossen. Eine gute Idee; 64-mal habe ich das rote Fünfeck hervorgeholt, habe ich aufmerksam zugehört, Verständnisfragen gestellt, in Kurzform auf Papier gebracht, was ich vorgefunden habe, ohne zu werten. Das Fünfeck hat seinen Dienst erfüllt und kann nun zusammengefaltet bleiben … Das Grundprinzip, unvoreingenommen auf Menschen zuzugehen, werde ich weiter üben.

Meinen Halteplatz im altehrwürdigen, grossartigen Hafen hier im Herzen von Marseille, habe ich als Ruhe-Oase genutzt. – Wie soll es weiterhegen? Soll ich die ArgoFram abholen lassen und auf dem Landweg zurück nach Basel gehen? Oder soll ich diese Europa-Umrundung ‘ausgondeln’ lassen und via ‘Canal du Midi’ in die Biscaya, um die Bretagne herum nach Dover und Rotterdam fahren, und dem Rhein hoch bis nach Basel?

Verrückt, irgendwie, mit welcher Nonchalance ich in diesem Moment über eine ‘Überfahrt’ nachdenke, nochmals ‘aussenrum’, alleine und erst noch im eher stürmischen Herbst … Ich frage mich das als jemand, der sich noch vor drei Jahren als nautischer Anfänger kaum auf das Meer hinaus gewagt hat …

Hier in Marseille ist es angenehm (obwohl die Stadt selbst völlig ausser Rand und Band zu sein scheint; die Polizei-Omnipräsenz spricht Bände) – ich besuche einzelne Quartiere, zu Fuss (die klapprigen Trottinettes habe ich entsorgt), gehe baden am öffentlichen bonsai-Strand, esse gut, schlafe viel. Und ja, ich bin mit Stolz erfüllt.

Die ArgoFram nun abholen lassen und mein Ding hier einfach abklemmen, das geht irgendwie nicht. Gebe ich ihr und mir noch etwas Auslauf! – Mein neues Training besteht darin, täglich ein paar Kanister Benzin in einem Einkaufswagen von der etwa zwei Kilometer entfernten (nächsten) Tankstelle zu holen und die ArgoFram aufzufüllen, während sich der heftige Wind und das schlechte Wetter draussen vor der Küste verziehen.

Am 20. September, nach fünf Tagen, verabschiede ich mich von Régis, und brause in rund vier Stunden hinüber Richtung Narbonne – ich möchte in den Canal du Midi einsteigen … aber das geht nicht, weil der Kanal hier wegen Wassermangel gesperrt ist. Also zurück aufs Meer, und nochmals eine Stunde nordwärts, um Adge, und von hier hinein in den Kanal. Nun beginnt eine zunächst als quälend langsam empfundene Fahrt (8 km/h) via Carcassonne nach Toulouse, wo ich am 26. September eintreffe und drei Tage verweile, so gut gefällt mir diese Stadt.

Am 29. September geht’s weiter Richtung Bordeaux, wo ich nach weiteren vier gemächlichen Fahr-Tagen – während denen ich mich wirklich gut erholt habe – eintreffe, und gleich nach Royan weiterfahre, wo ich auf meiner ersten Etappe vor zwei Jahren bereits Halt gemacht habe. Im Hafenmeisterbüro erinnert man sich an mich, stellt mir alle erdenkliche Unterstützung zur Verfügung und vermittelt mir einen versierten Mechaniker, um ein letztes Mal das Öl und die Filter in den Motoren zu wechseln. Fazit: Ich fühle mich wieder pudelwohl und bereit, die zu dieser Jahreszeit heikle Umfahrung der Bretagne anzugehen.

Am 5. Oktober geht’s los, über Lorient, um die strömungsreiche bretonische Westspitze bei Le Conquet herum nach Roscoff, und weiter nach Guernsey. – Ich habe erneut enormes Wetterglück, und auch die strömungsreichen Passagen zwischen den vielen Felsen und Leuchtfeuern hindurch meistert die ArgoFram mit Bravour.

Nach Guernsey geht es weiter durch den Ärmelkanal nach Dover und wieder hinüber zum Kontinent Richtung Rotterdam/Stellendam, wo ich über nur eine Schleuse in den Rhein gelange. – Nun geht es Rhein-aufwärts (in Deutschland ohne Geschwindigkeitsbegrenzung!) … In Worms treffe ich Franz und Mechtild, ein Segler-Ehepaar, das ich vor zwei Jahren bei meiner Jungfernfahrt in Schweden kennengelernt habe – und das mich eingeladen hat, doch bei ihnen vorbeizuschauen, wenn ich dereinst einmal bei ihnen in Worms vorbeikomme! Ich bleibe ein paar Tage, sage mit meinem ersten Reisevortrag im Clubhaus des Segel- und Motorsportclubs Wiking Worms herzlich danke schön … Und am 20. Oktober, einen Monat nach meinem Start in Marseille, fahre ich in Basel ein, am Münster vorbei!

Bereits einen Tag später holt Marko die ArgoFram in Weil am Rhein ab. Sie geht zurück nach Tallin, ich bleibe in Basel. Nun soll gut sein.