Lipsi liegt gleich gegenüber, ein Katzensprung von Patmos entfernt (und auch von Akri): 250 Einwohner, im Sommer ein Vielfaches an Touristen, ruhig, aber nicht verschlafen, authentisch aber nicht folkloristisch, keine ‘guten’ Strände, aber einladende Badebuchten, im Hafen Platz für 80 Boote und in der weitläufigen Bucht ankern die riesigen Segel- und Motorjachten … Eine Insel, die sich zwischen Akri und Patmos positioniert und Ursprünglichkeit mit Moderne verbindet. Und den Einwohnern ein gutes Auskommen bietet.
Ich lege an und werde ‘nach hinten’ geschickt – vorne sähe man gern die richtigen Jachten … Ist mir auch recht, denke ich, bin dann nicht so im Trubel und habe meine Ruhe. Bis ich die Vorbereitungen zu einem grösseren Fest erkenne, die gleich nebenan losgehen. Und tatsächlich steigt in dieser Nacht die eindrücklichste Festivität, die ich mir in den kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können: mit dem Eindunkeln kommt das ganze Dorf, kommen alle Inselbewohner zusammen und feiern, was die Nacht hergibt. Die Damen jeden Alters sind bildschön zurechtgemacht, die Herren immerhin mit weissem Hemd; die Band spielt auf, Sirtaki, ein Grill wird angefeuert, der Wein ausgeschenkt … Kaum Touristen, ich mittendrin!
Was ‘harmlos’ beginnt, dreht immer weiter auf – ein Tanz beginnt fast schleppend, die Menschen stehen im Kreis, bilden Spiralen, fassen sich an den Schultern, schwingen die Beine, schreiten vor- und seitwärts, halten inne, drehen leicht und schwingen die Beine … Die Musik spielt schnell und schneller, und nach ein paar Minuten dreht dieses Tanz-Karussell immer wilder, ekstatischer. 10, 15, 20 Minuten lang. Nicht alle halten mit, ziehen sich zurück – übrig bleiben die Jungen, die Schönen … und ein paar ältere Herren, die wissen wie der Hase läuft. Whow!
Um zwei in der Nacht muss ich pausieren. Gehe zur ArgoFram und falle ich gleich in einen Tiefschlaf. Um fünf wache ich wieder auf – die Musik spielt noch immer, die Menschen tanzen noch immer, also gehe ich raus und geselle mich wieder hinzu. Wo haben diese Leute nur den Schnauf her; die Nacht der Nächte!
Als die Sonne wieder aufgeht und sich hinter den Bergen hervorwagt, gehen die Leute – die letzten Fleischspiesse werden serviert, die letzten Becher getrunken. Es ist bald acht, die Kapelle spielt ihr letztes Stück. Ältere Leute rücken sie Stühle zusammen, es wird aufgeräumt und bald sieht dieser Platz aus wie zuvor, etwas abseits und verlassen. Es ist ruhig geworden. Auch ich gehe nochmals in die Kabine und schlafe eine Runde. Dann wird getankt – der Sohn des Tankwarts, Tom, erklärt mir, was die vergangene Nacht abgegangen ist. Er ist hier aufgewachsen, hat sich aber nach Mailand abgesetzt, kommt aber jedes Jahr hierher zurück, zu Familie, zu Freunden, zum Feiern.