Los gings Richtung Chios, einer Insel westlich von Izmir. Schon lustig, wie eine kleine Meerstrasse Griechenland (die EU) von der Türkei (Asien) trennt – andere Sprache, andere Mentalität, andere Kultur und Politik heute; das war anders vor zwei bis dreitausend Jahren … Dinge ändern sich eben. Wie sich auch das Meer ständig verändert hier: Gestartet bin ich bei ruhiger See, die etwas auffrischte, und die nun, auf dem Weg nach Samos, nach dieser Meeresstrasse bei Chios, unpassierbar zu sein scheint. Wind und Wellen ändern sich rasch und in geografisch kleinräumigen Abständen. Das ist neu für mich, heikel. Die Ägäis ist ein fundamental anderes Meer – ich will auch sie verstehen. Und ich beginne damit auch Homers Beschreibungen von Odysseus Heimkehr (und den aus dem Beutel freigelassenen Wind) zu verstehen!
Meine Beobachtung kann ich noch nicht umdeuten, dafür helfen mir die Wetterdienste. Die können allerdings nicht so genau sein, hier zwischen all den Inseln und Meerengen, zu verzwickt sind die Auswirkungen der grossflächigen Luftbewegungen. Also Vorsicht. – Ich steuere auf der Ostseite von Chios auf einen Fischerhafen zu: Agia Ermioni. Und rede mit Fischern, die in der brütenden Sonne Netze knüpfen, und die mit einem Blick Richtung Süden abwinken: heute Nachmittag wird’s wieder ruhiger. Ich finde nahe beim Hafen ein Restaurant, kehre ein. Nehme mir Zeit. Spaziere durch die Hafengegend. Lege mich etwas hin. Und tatsächlich, die See beruhigt sich – ich verabschiede mich von den Fischern, weiter geht’s nach Samos.
Auch Samos umfahre ich östlich, gelange durch eine winzige Meerenge (nur wenige Hundert Meter vom türkischen Festland) nach Pythagoria. Die Marina wurde neu angelegt, abseits des alten Hafens; sie ist sehr modern, und ich kann tanken. Manos hilft, er ist der Tankwart hier. Und wie immer frage ich, was ich in der Umgebung Interessantes entdecken kann, und welche Insel er mir auf meinem Weg nach Rhodos empfiehlt zu besuchen … Es sind diese kurzen, oft beiläufig wirkenden Begegnungen, die mir Tür und Tor zu neuen Welten eröffnen!
Pythagoria selbst ist sehr touristisiert; der alte Hafen an der Promenade ist eine Anlegestelle der Eitelkeiten: Jacht an Jacht reiht sich hier, um gesehen zu werden. Die Restaurants sind überteuert, und proppenvoll! – Ich gehe ich die hinteren Regionen, suche ein Lokal auf, wo Einheimische verkehren, wähle ein lokales Gericht … und beschäftige mit Pythagoras, der hier aufwuchs und seine abstrahierte Sicht auf die Welt formulierte. Stelle mir vor, wie er am Strand sass, umgeben von Freunden oder Schülern, mit einem Stecken Dreiecke in den Sand zeichnend Rätsel löste und die Lehren daraus zog.