Mit der Hilfe von Evgeny, einem höchst professionellen Agenten für das Ausklarieren, wird die Abnabelung von Russland vollzogen – noch einmal zurück zur Sotschi Grand Marina, diesmal in den Zoll-Bereich, letzte Papiere wälzen und Stempel drauf. Verbunden mit der unmissverständlichen Anweisung, weit genug von Abchasien (obwohl von Russland kontrolliert) vorbeizurauschen und in einem weiten Bogen nach Georgien zu fahren, mache ich mich wohlgemut auf. Das Schwarze Meer ist ruhig und klar, in ein paar Stunden dürfte ich in Poti sein … Nur kommt es etwas anders: Die Benzinleitungen sind irgendwie überlastet oder verdreckt, jedenfalls ist bald ein Motor ausgefallen und ich dümple mit 10 km/h dahin, immer mindestens 30 km Abstand haltend von der abchasischen Küstenlinie.

Eine rabenschwarze Nacht zieht über mich – und ich sehe die Milchstrasse in ihrer ganzen Pracht, wie wohl noch nie zuvor in meinem Leben! Ein leuchtendes Sternenmeer über mir, obschon ich gefühlt keine 10 m weit um das Boot herum sehe. Das Meer und die Nacht gehen nahtlos ineinander über und mir ist, als fahre ich auf eine schwarze Wand zu, gemächlich, aber immer weiter in diesen ‘Darkroom’ hinein. Ich schalte den Autopiloten ein und setze mich auf die Rückbank – und geniesse dieses grandiose Schauspiel über mir.

Es fühlt sich gut an, bin ich wirklich auf dem Wasser?

Als der neue Tag anbricht, versuche ich mit David Kontakt aufzunehmen (einem Agenten von Batumi, empfohlen von Konstantin) und freue mich darauf, dort anzulegen, wo auch die Argo mitsamt ihren Argonauten vor rund 3’200 Jahren angelegt haben, um Kolchis zu entdecken (und berauben) … Bei der Hafeneinfahrt erwartet mich die zauberkundige Medea in Form einer aufrechten weissen Statue, die ein Boot gewordenes goldene Vlies stolz über dem Kopf trägt, und damit die Historie mit der Gegenwart verknüpft.

Doch plötzlich holt mich die Müdigkeit heim – David ist extra von Batumi hierhergekommen; gemeinsam erledigen wir die Formularien zur Einreise in Georgien; ich möchte endlich etwas schlafen, aber gleichzeitig möchte ich Poti erkunden … Ich begrüsse die Fischer, Arbeiter und Bootsführer im Hafen, schlendere durch die weitläufige Kleinstadt, wundere mich ab den überall wehenden Europa-Flaggen – und spüre bald, dass dieses Land noch lange nicht EU-tauglich ist: Ich werde von Grenzbeamten aufgesucht und verbal ‘verzeigt’, weil ich bei der Hafeneinfahrt angeblich eine geschützte Zone durchfahren hätte. Und solange ich die Busse nicht bezahle, in bar und direkt bei ihnen, so lange bekomme ich keine Ausfahrtgenehmigung … So geht das!

Widerspruch bei diesen Beamten ist zwecklos. Sie haben zwei Hüte gleichzeitig auf: einerseits repräsentieren sie die Grenzbehörden, andererseits gehen sie eigenen Interessen nach – die Staatsmacht ausspielen, um privat Kohle zu machen. – David zuckt die Schultern, er kennt dieses Spiel. An Schlaf ist jetzt nicht mehr zu denken.