Wieder müssen Lena und ich in Anapa von Amtsstube zu Amtsstube, um nach Sotschi zu gelangen – zum guten Glück: wir werden aufgeklärt über die ‘spezielle Situation’ wegen potenziellen Angriffen der ukrainischen Seite (ich habe mich ohnehin gewundert, wie die abertausenden von Touristen hier so entspannt und vergnügt Ferien verbringen am Strand, auf den Rummelplätzen und in den Nachtclubs, und was die russische Verteidigung dafür tun muss, damit dieser Küstenabschnitt unbehelligt bleibt von Attacken resp. abgefangenen Marschflugkörpern). Ausserhalb Anapas gibt es erneut kein GPS, und bestimmte Küstengebiete (dort, wo Öl-Pipelines ins Schwarze Meer eintauchen) sind absolut tabu, da wird scharf geschossen! Also wieder mit Kompas, Karte und Zirkel (und Stoppuhr) den Kurs bestimmen und ab geht’s in grossem Bogen über’s Meer Richtung Sotschi.
Nach ein paar Stunden funktioniert das GPS wieder; wir sind auf Kurs! – Bei Sotschi weiss aber offenbar niemand, dass wir kommen. Erneut wird abgeklärt, derweil wir wieder kilometerweit ins Meer hinausgeschickt werden – bis ich mich auf Konstantin besinne, einem Agenten, mit dem ich bei der Planung vor zwei Jahren Kontakt hatte, und der mich auf mirakulöse Weise in seinem Büro am Bildschirm dank meines AIS erkennt und sich an mich erinnert. Sofort übernimmt er die Einklarierung, und wir können bald schon in der Sotschi Grand Marina einlaufen. Uff …
Nun, Sotschi spielt in einer besonderen Liga … Das merkt man bereits am Auftritt in dieser ‘Grand Marina’, etwa so wie St. Moritz in den Bergen … Alle grossen Marken sind hier, von Rolls Royce bis Rolex, als ob das Wort Sanktionen nie bis hierhergekommen wäre! Die Damenwelt ist aufgehübscht (eher aufgeplustert) und rund um den Hafen herrscht eine etwas elitäre Stimmung. Entsprechend sind auch die Hafengebühren: schlicht unbezahlbar (für mich). Aber alles was Rang und Namen und seine Jacht rechtzeitig aus dem westlichen Mittelmeer zurückgebracht hat, präsentiert sich hier. – So frage ich, welche Alternative es für die ArgoFram gäbe, und werde zum Sotschi Jacht Club etwas südlich weitergeleitet, einem veritablen Wassersporthafen, der zum Sportkomplex dieser Metropole gehört. Hier haben die verschiedensten Olympischen Verbände ihre Campus (Leichtathleten, Gewichtheber, Ringer, Boxer, Mannschafts- und natürlich diverse auch nicht-olympische Wassersportarten). Ich fühle mich sofort wohl hier, das ist meine Welt.
Alexander ist eine Art Hafenmeister – ein Kerl von Schrot, Korn und Charme, mit mediterran-verschmitztem Einschlag, und er wird sich meiner annehmen. Platz hat es keinen, also schafft er ihn. Und zeigt mir auch gleich Sotschi … Hier am Hafen hat es auch ein Restaurant, ein Pool, ich erhole mich … Und muss mich gleichzeitig von Lena verabschieden, die im Spital einen neuen Gips bekommen hat … sowie die Weiterreise an Abchasien vorbei nach Georgien aufgleisen. Alles etwas viel auf einmal. Und ich frage mich: werden Lena und ich uns jemals wiedersehen?