Oleg geht, Lena kommt, und wir fahren der Wolga entlang weiter nach Süden,
ohne Plan, bis wir an einer in die Wolga hineinragenden und von ihr
durchfluteten Marina Halt machen – wir sind in Uljanowsk. Die Stadt selbst
liegt hoch über der Wolga; zwischen der Marina und dem hohen Plateau liegt
ein schön angelegter Park, den wir hinaufschlendern. Über Lena muss ich
nichts weiter sagen: wir kennen uns seit 1989, haben uns damals in einem
Wüstencamp in Gobi (in der Mongolei) kennengelernt, haben uns über viele
Jahre immer wieder gegenseitig besucht, ihre Familie in der Schweiz, ich mit
meiner Familie in Sibirien. Lena hat mich bei diesem Vorhaben, im
Schlauchboot um Europa zu fahren, grandios unterstützt, hat extra den
russischen Bootsführerschein erlangt und mich im vergangenen Jahr von
Murmansk bis nach St. Petersburg als Lotse begleitet. Ist das nicht
fantastisch?!
Lena reist mindestens so gerne wie ich, und als wir unerwartet hier Halt
gemacht haben, ist ihr Herz wohl gleich höher gesprungen – Uljanowsk ist der
Geburtsort des Revolutionärs ‘Lenin’, der die Welt vor rund hundert Jahren
umgekrempelt hat. Obwohl wir die Figur ‘Lenin’ unterschiedlich betrachten,
oder gerade deswegen, fanden wir hier allerbeste Gelegenheit, über die
Entwicklung des vergangenen Jahrhunderts zu diskutieren, und an diesem Ort
(der nach dem Familiennamen ‘Lenins’, Wladimir Iljitsch Uljanow, umbenannt
wurde) die Zeugnisse und Spuren, die ihn ja auch in die Schweiz geführt
haben, zu vergegenwärtigen. – Lena ist sichtlich stolz auf die
Errungenschaften ihres Landes seit der Revolution, und mit ihrem
Enthusiasmus gelingt es ihr immer wieder, die Herzen der Menschen auf
unserem Weg zu öffnen und mich in die Seele ihrer Landsleute Einblick nehmen
zu lassen. Weil sie die Menschen erreicht, ist sie auch geübt im spontanen
Organisieren des Unmöglichen… Das kann ja lustig werden… Und ich freue mich
jetzt schon auf unsere gemeinsame Reise bis nach Sotschi im Schwarzen Meer.