Nun geht’s in den Kattegat, nordwärts. Wohin ich heute fahre, ist noch nicht bestimmt. Irgendwo entlang der schwedischen Westküste werde ich übernachten; irgendwohin, von wo ich ‘leicht’ nach Skagen in Dänemark gelangen kann, denn von dort will ich nach Norwegen hinüberhüpfen…

Varberg liegt auf halbem Weg, schon entschieden. Auch eine Boots-Tankstelle soll es dort haben, ideal. Und ich staune einmal mehr, wie grosszügig die Häfen hier angelegt sind; bei der Einfahrt erkenne ich einen Freizeit-Hafen (der mit Tankstelle) und einen Fischerhafen (hier scheint die Fischerei im Gegensatz zur schwedischen Ostküste erlaubt zu sein), der bei genauerem Hinsehen attraktiv gestaltet ist und eher wie ein Touristenhafen aussieht, von wo als Fischerei ‘getarnte’ Ausflugsboote ab- und anlegen.

Ich gleite an einem grossen Wohnmobil-Parkplatz vorbei – und höre viele Deutsch sprechende Urlauber (die meine Einfahrt kommentieren), während ich bis in die hinterste Mole dieses Hafens fahre, also bis ins Zentrum dieses Städtchens!

Hier bleibe ich, hier fühlt es sich gut an. Etwas exponiert vielleicht (Touristen bestaunen Touristen), aber einmal mehr mittendrin im Leben.

Ich bezahle meine Hafengebühr, erhalte die Codes für Dusche und Toilette, und gehe mit dem Klappvelo auf Erkundungstour (und einkaufen). – Nettes, weitläufiges Städtchen, ausgedehnte Badestrandanlage, und wie gesagt viele deutsche Kamper, die wohl ihrem Heimatland entflohen sind – Corona vertreibt die besten Leute, zumindest die frei Denkenden, wie mir scheint.

Neben mir an der Quaimauer liegt ein rekonstruiertes Vikingerboot im Wasser, dessen Fragmente bei Varberg aus dem morastigen Boden geholt und Stück für Stück repliziert worden sind. Eine kleine Fotodokumentation an einem Hafengebäude erinnert an diese Arbeit.

Ich besteige diese Rekonstruktion mit grossem Interesse, um die vielen raffinierten Details dieses exakten Nachbaus unter die Lupe zu nehmen. – Schon genial, wie die Seefahrer damals ihre Boote bauten und ausrüsteten. Hauptsache es schwimmt auch bei tosendem Wellengang…, gleitet schnell und leicht steuerbar dahin wenn die See ruhig ist…, und bietet Platz für Mannschaft, Waffen, Nahrung und Transport- oder Raubgut. Ein Dach gab es keines, höchstens ein Kabäuschen für das mitgeführte Feuerchen. Eine Zeltplane und die persönliche Kleidung mussten auch bei Schlechtwetter genügen. (Wenn es damals so war wie in den vergangenen Wochen, dann war wohl meist schlechtes Wetter.) Wetterfeste Kerle müssen das gewesen sein!

Gegen Abend rollen einige wunderschön erhaltene ‘Schiffe’ aus den 60er Jahren gemächlich am Hafen vorbei – Rock ‘n-Roll weht durch Varberg! Mit ‘Schiffen’ meinen wir umgangssprachlich grosse amerikanische Autos mit Flügelheck, pink oder hellblau und mit viel Chrom, meist als Cabrio… denn so hören wir alle die ohrenbetäubende Musik, die aus den Lautsprecheranlagen dröhnt. – Das scheint ein Hobby zu sein, denn die Fahrer (und Beifahrerinnen) sind gekleidet, wie es wohl meine Eltern einst waren; zwei Hand voll solcher Wagen rollen hin und her, kleiner Corso, aber ausser mir scheint es niemanden zu beeindrucken. Ich aber gehe hin, fotografiere, und wir lächeln uns zu. Cool. Wenn sonst nichts läuft hier, bringen die was zum Laufen.