Ein neuer Tag, und die Sonne blinzelt etwas durch… Also gehen wir ins Städtchen (das zu besuchen uns sehr empfohlen wurde) und nehmen die liebliche Stimmung auf – schmucke Häuschen, Wohlfühlatmosphäre, Entspannung pur.

Bei einem stylish gestalteten Kaffee kehren wir ein und werden nicht enttäuscht: leckere Sandwiches, deftige Torten, cooler Sound – wie gemacht für Touristen (die gerne etwas mehr bezahlen).

Wir ziehen weiter, sehen einen Spielplatz und rennen zu den Schaukeln, lachen über uns selbst und den Blödsinn, den wir machen. Erst da fällt mir auf: am Boden Kautschuk und Holzschnipsel darüber, die Schaukeln mehrfach gesichert und selbstverständlich ohne Kanten, Bolzen oder sonst etwas Grimmiges, und spielende Kinder mit Helmen auf den Köpfen. – Die Mütter sind glücklich, plaudern, happy life.

Trosa ist nicht gross, mustergültig herausgeputzt. Und die ausgestorben scheinenden Strässchen sind übersäht mit Hinweisschildern, Warntafeln, Benimm-Markierungen – damit auch die grossen Kinder sicher durchs Leben kommen… Von aussen betrachtet befinde ich mich im Schweden Astrid Lindgrens; alles bilderbuchmässig, schnüggelig, sanfte Farben. Aber im Kern alles andere als mutig und freiheitsliebend: konformistisch, dirigistisch, eng.

Ja, mir wird es eng, es schnürt mir geistig die Luft ab, fühle mich auf Schritt und Tritt sozial behütet. Und kontrolliert. – Haben sich die Wikinger hier selbst überwunden? Ist das nun die Krönung einer langen, wohlfeilen sozialen Entwicklung? Sind wir im Paradies?

ArgoFram, es geht weiter! – Das Wetter bleibt frisch aber immerhin so schön, dass wir die Inselwelt nun auch optisch wahrnehmen und die Fahrt geniessen können. Die Fahrrinnen sind teilweise sehr eng, aber gut markiert; die Landschaft ist mild, die Farben sind frühlingshaft. – Bei Stegeborg geht es in einen lieblichen Fjord Richtung Mem, dem Einfahrtsort mit der ersten Schleuse in den Göta-Kanal. Wir wollen quer durch Schweden hindurch hinüber nach Göteborg. Es war unser Wunsch, geruhsam durch Schwedens Seenlandschaft zu tuckern, damit Martina bei Göteborg in den Flieger sitzen und nach Tallin zurückkehren kann. Easy.

Bei Mem erfahren wir, dass die Schleuse erst am Montag öffnet (heute haben wir Samstag). Und dass man sich mindestens fünf Tage zuvor anmelden muss. Was aber erst am Montag gemacht werden kann, weil über’s Wochenende niemand arbeitet. Und dass man dann im Konvoy von Schleuse zu Schleuse geführt wird… Dass es einem also unmöglich gemacht wird, dort anzuhalten oder zu nächtigen, wo es einem gerade gefällt. – So funktionieren Schwedens Staatsbetriebe in der Vorsaison!

Wir treffen andere Boote, rüstige Kanalboote, deren Eigner längst angemeldet sind und brav warten. Sie und ihre Liebsten geniessen diese Ruhe; in der Kombüse werden Biskuits hergestellt, es durfet herrlich aus dem geheizten Schiffsinnern;  die Grosskinder sind munter und spielen unter Deck (denn draussen beginnt es wieder zu regnen). Wir aber drehen ab, kehren um, zurück nach Stegeborg.

Ich bin baff. Aber ich bin selbst schuld, habe mich nicht um die Details dieser Durchreise gekümmert. Fahre einfach zu und muss nun damit leben, dass es nicht weitergeht wie gewünscht.

In Stegeborg gibt es eine Tankstelle am Wasser, einen Kiosk, ein altes Schloss (mit interessanter Geschichte, die ich im Detail wohl aber bald wieder vergessen werde), ein Flugfeld, ein paar ganz tolle und exklusive Häuser – und ein anderes Schweizer Boot, eine ‘richtige’ Jacht, die hier festgemacht hat, um am Montag in den Kanal einzufahren. Wir unterhalten uns kurz, erhalten wertvolle Informationen (weil der Bootsführer als pensionierter Ingenieur sehr detailbewusst ist und grosse Erfahrung in Schwedens Archipelago hat). Dann aber gehen wir in den Kiosk, der auch eine Art Kaffee ist und wo es eine Mitarbeiterin hat, die unglaublich lustig ist und viele noch unglaublichere Geschichten zu erzählen weiss. Derweil es draussen hinunterprasselt, was das Zeug hält.

Nach dem Nachtessen nehmen wir eine warme Dusche und kuscheln wir uns in die Decken, ohne einen Entscheid zu fällen (wie es weiter gehen soll). Jetzt eilt nichts. Wir sind hier, und schauen morgen weiter.