Nun liegt die ArgoFram kurz vor Lyon, der zweitgrössten Stadt Frankreichs. Auch sie hat viel zu bieten – hätte viel zu bieten… Architektur, zum Beispiel. Aber ich tuckere quer durch die Stadt, erfreue mich an deren Anblick vom fliessenden Gewässer aus. Und biege hier von der Rhone in die Saône ein, fahre weiter nach Norden, immer tiefer in den Kontinent.

Der Regen nimmt erfreulicherweise ab, genauso wie der Pegelstand – die Temperatur aber auch… Es wird bitterkalt. Bei Macon suche ich erneut eine Marina auf, gehe auf die Toilette, mache Katzenwäsche, tanke. Ich fühle mich nicht sonderlich wohl hier, werde als Fremder wahrgenommen und mit abweisenden Gesten begrüsst – vielleicht verstärken sich jetzt Befindlichkeiten und Stimmungslagen gegenseitig? Ich fahre weiter.

Fahre wieder den ganzen Tag. Fahre an Brücken vorbei, die den Rest des angeschwemmten Materials noch auf deren Pfeilern tragen (und erschrecke, welchen Risiken ich mich beim ‘zügigen’ Flussauffahren ausgesetzt habe). Fahre und fahre und irgendwann komme ich bei Saint-Jean-de-Losne an, kurz vor der Einfahrt in den Rhein-Rhone-Kanal – auch hier gibt es eine Marina (die sie sich mit der Nachbargemeinde Saint-Usage teilt). Sie ist allerdings schlecht unterhalten, voller Wasserpflanzen und morschen Stegen, aber sie ist gleichzeitig von Boots-Enthusiasten bevölkert, die hier (auf dem Trockenen) an ihrem Lebensabendtraum feilen und ihr eigenes Kanalboot anfertigen, reparieren oder liebevoll pflegen.

Ich dusche, esse, und gehe im Hafengelände umher; ich unterhalte mich mit Flusskapitänen (auch Schweizern), die hier weder Mühe noch Kosten scheuen, um Ihr Boot für das nächste Jahr flott zu machen. Und beschliesse, es morgen gemütlich anzugehen, dieses altertümlich wirkende Saint-Jean-de-Losne zu erkunden, und eine um diese Uhrzeit bereits geschlossene, aber schmackhaft dreinschauende Bäckerei aufzusuchen… Und ich stelle fest: ich bin doch besser vorangekommen als ich mir das je vorgestellt hätte. In drei Tagen von der Rhone-Mündung bis hierher, zur Einfahrt in den Rhein-Rhone-Kanal, das ging flott – aber der Preis ist hoch, denn im Grunde habe ich nichts gesehen unterwegs, zumindest nicht das, was ich gerne hätte ansehen wollen (Arles, Avignon… Ich tröste mich damit, dass diese Orte von Basel aus jederzeit rasch erreichbar sind, und ich dies zu einem späteren Zeitpunkt nachholen kann). Andererseits kann ich behaupten, dass ich heil durchgekommen bin, von Tallinn um Westeuropa rundherum bis hierher. Das ist doch was!

Ich beende diesen Tag mit einem schwerwiegenden Gedanken: Ab morgen dürfte eine wohl ungewohnte Prüfung auf mich zukommen – tagelang mit acht Stundenkilometern durch den Kanal und durch -zig Schleusen bis zum Rhein… Dafür bin weder ich noch meine ArgoFram gebaut. Eine Geduldprobe?