Die Stadt, der Hafen, ganz Cartagena wirkt wie verschlafen. Wir reiben uns ungläubig die Augen – und legen ab. Das Fest wird heute Abend nochmals aufbranden, aber für uns solls gut sein so.

Wir sind glücklich, dass wir den Schaden entdeckt haben und ihn so solid und vor allem so rasch beheben lassen konnten. Wir lassen Cartagena voller Dankbarkeit hinter uns. Und brausen bei nahezu ruhigem Wasser Richtung Norden. Bis Martina weit vor uns auf der rechten Seite ein Boot mit hoher Geschwindigkeit auf uns zufahren sieht – aber wir sehen es nicht auf dem Bildschirm, kein Signal… Aha, Zoll, Grenzschutz, Wasserpolizei, Armee, irgendsowas… Scherzhaft frage ich Martina, ob ich das Tempo erhöhen soll…

Irgendwann kommt der Funkspruch; man möchte uns kontrollieren. OK. Jetzt erst reduziere ich das Tempo. Guardia Civil. Ich stoppe, resp. wir manövrieren unsere Boote so zueinander, dass wir mit dem Heck seitlich fast anliegen. Ein heikles Unterfangen, ist das Patrouillenboot doch sehr massiv gebaut, ohne Fender, und könnte meine Pontons trotz dem nur leichten Wellengang leicht aufschlitzen. Zwei Mann wollen, aber nur einer kommt tatsächlich zu uns an Bord. Er prüft meine Ausweise – ich halte ihm auch gleich das Zollpapier zu, das ich bei Santander ausgestellt erhalten habe. Dann will er noch einen Blick in die Kabine werfen, alles bestens. Anschliessend noch etwas Smalltalk, und er steigt mit einem gewagten Sprung zurück aufs Patrouillenboot. Wir winken uns zu, weiter geht’s.

Wir sind soeben an Benidorm mit seiner Skyline und dem markanten Doppelhochhaus vorbeigefahren. Das Wetter ist superschön, und wir haben Hunger. Links vor uns liegt der lang gezogene Strand von Altea, mehrere Häfen stehen zur Auswahl – uns zieht es ganz ans Ende in die Bucht mit den hochaufragenden Felsen. Im Restaurant ‘La Martina’ (kein Witz) essen wir vorzüglich, kehren zurück zur ArgoFram, fahren hinaus zu einer Boje, an der wir festmachen, um völlig losgelöst von Konventionen nackt im azurblauen Wasser zu baden und in der offenen Kabine auszuruhen…

Spontan entschliessen wir uns, jetzt doch noch nach Ibiza hinüberzujetten. In spätestens drei Stunden sind wir dort. – Es läuft alles so gut; gedacht, gesagt, getan.

Ich verspüre eine ungeheure Freiheit.

Zwischen der Insel Formentera und Ibiza gilt es durch Landzungen und Inselchen hindurchzunavigieren, aber ist diese ‘Sperre’ einmal überwunden, finden wir uns inmitten anderer (Schnell-)Boote wieder, die nur ein Ziel kennen: so rasch wie möglich zum Hafen von Ibiza zu kommen. Das Wasser ist rau, sehr bewegt, und trotzdem will jeder dem anderen zeigen, wie gut sein Boot diese Situation meistert. Auch ‘meiner ist länger’… und ich mache das Spiel mit. So schiessen etwa dreissig Boote gleichzeitig auf den Hafen zu, eines nach dem anderen wird abgehängt.

Doch kaum bei der Hafenmole angekommen, folgt das grosse Erwachen: Eingang verstopft, alle wollen tanken (wir sollten auch). Schlange stehen mit einem Boot? – Ja, unglaublich. Und was tun die anderen während der Wartezeit? Die haben’s lustig: Musik dröhnt von allen Jachten (nein, nicht Musik, das sind bloss Beats, unterlegt mit metallic Sound, modernes Discoallerlei); die Mädchen tanzen darauf vergnügt und oben ohne, schwingen Hüften und Haare, die Jungs sitzen rund herum, Becher mit Bier oder stärkerem in den Händen (nur jeweils einer kümmert sich als Steuermann darum, dass das Boot in der Schlange gehalten wird). Andere Boote fahren gleichermassen bewegt an uns vorbei direkt zu ihrem Pier. Alle winken sich zu; jede und jeder zeigt gut sichtbar was sie oder er hat (sie den Body, er die Jacht oder zumindest gute Kumpels). Die Stimmung ist ausgelassen, lasziv. Ibiza halt – kaum eingetroffen, schon werden alle Klischees übertroffen.

Ich frage nach, ob im ersten Hafen (wo die Tankstelle steht) ein Platz für uns zum Übernachten vorhanden ist – ist nicht, alles ausgebucht. Oho! Dann gibt es kein Tanken jetzt, direkt weiter zum nächsten Hafen. Doch auch der ist voll, jeder einzelne Anlegeplatz belegt. Fünf Jachthäfen gibt es in dieser Bucht, hunderte von Booten sind hier, Wahnsinn! Vorbei geht es an bereits jetzt schon stimmungsvoll ausgeleuchteten Bars und Tanzlokalen auf den Piers und einigen Superjachten (länger als 24 Meter), zum dritten Hafen. Da soll es noch genau ein Plätzchen haben, gaaanz hinten (wiedermal). Tatsächlich; mit viel Feingefühl (und der Kraft meiner Motoren) zwängen wir uns Spitz voran in diese Parklücke. Uff!

Dieser Platz hat aber auch sein Gutes: Wir sind nahe bei den Duschen- und Toilettenanlagen und gleich beim Land-Ausgang. Es hat längst eingedunkelt, und wir ziehen los. Auf nach Ibiza-Stadt, auf ins Urlaubsmekka aller Junggebliebenen…  Party-Party? Zunächst einmal suchen wir ein freundliches Restaurant – ich ‘liebe’ diese Tourismusdestinationen, wo jeder einmal gewesen sein muss, und wo die Urlauber wie am Fliessband bedient werden. Wo alles hopphopp gehen muss, wo die Gäste mehr umhergescheucht als willkommen geheissen werden. Entsprechend ist das servierte Essen… Auf ein Dessert verzichten wir.

Es geht gegen Mitternacht; auf dem Nachhauseweg realisieren wir: Die Nacht oder das Ferien-Abenteuer der Touristen beginnt erst. Samstagabend… Vor den Hotels stehen die Vans mit den coolen oder kräftigen Jungs, die ihre Mädchen abholen. Testosteron geschwängerte Luft.

Busweise werden aufgebrezelte und schon völlig aufgeregte Mädchen nun in die Musik- und Tanztempel in der Umgebung gekarrt, wo das Treiben seinen absehbaren Lauf nimmt (die meisten Mädchen, die wir sehen, sind jetzt schon beschwipst oder haben weissnichtwas eingenommen). Na denn, have fun!

Ich bin zu müde, oder zu alt, um hier noch meinen Spass zu haben. – Was für ein Tag; kaum im Bett fallen mir gleich die Augen zu.