
Eine Morgenfahrt mit neuem Velo durch Gijon ist ein völlig neues Erlebnis – Distanzen spielen kaum mehr eine Rolle. Wieder gehe ich in den Carrefour (wo ich das Velo gekauft habe) und bediene mich aus einem riesigen Sortiment an Lebensmitteln – wo ich mich bisher immer ‘local’ bedient habe, könnte ich nun aus aller Herren Länder das Feinste herauspicken. Und Ja, ich tu’s!
Draussen auf dem Meer ist’s wieder prächtig, die See ist ruhig (gemäss App-Benachrichtigungen). Also tanke ich nach und weiter geht’s, einem Tipp eines französischen Seglers folgend, nach Viveiro. Aber kaum bin ich draussen, wirklich draussen auf hoher See, erlebe ich das Meer schon wieder anders: Die Dünung ist mächtig, aber gutmütig; ‘Wellen’ kommen druckvoll daher, erscheinen aber ‘flach’ und weit auseinander gestreckt. Ist das nun ein Vorgeschmack auf den nahenden weiten Atlantik? – Schon wieder muss ich die Wetter- und Wellenprognosen neu interpretieren lernen! Aber die Fahrt ist kurz, das Land, dieses interessante und so nicht erwartete Nordspanien, lockt.
Viveiro selbst ist nicht gross, aber vielfältig, besteht aus mehreren politisch zusammengefügten Ortsteilen, aber im Kern ist sie sehr alt mit heute noch erlebbarem (architektonischem) Einfluss aus der Zeit der Mauren. Diese Tradition wird bis heute bei Neubauten weitergeführt.
Das Velo hilft auch hier, mir rasch einen Überblick zu verschaffen – mit dem Vorteil, dass ich mich nachher dem Teil widmen kann, der mir am meisten zusagt oder wo ich den höchsten Genuss erwarten darf (auch hier gibt es in der Altstadt Bars und Beizen; örtliche Köstlichkeiten locken auf Schritt und Tritt).
Heute scheint ein Grossereignis die Leute auf den Beinen zu halten: Eine Auto-Rally, die tags zuvor am Hafen von Gijón mit Pomp gestartet wurde, begegnet mir hier wieder und zieht auf seinem Weg durch Viveiro zahlreiche Schaulustige an! Die Leute säumen die Strassenränder und strecken die Köpfe, wenn die Boliden lautstark um die Kurven ziehen. Mir scheint: Lärm steht vor Geschwindigkeit (sonst sieht man wohl die Sponsoren nicht).
Bin ich im Kaufrausch? Gestern war es ein Klappfahrrad, heute ein Bademantel! – In Nordspanien fallen mir die grossen ‘China-Kaufhäuser’ auf. Gemischtwarenläden mit allerlei Krimskrams für den täglichen Bedarf für wenig Geld. Da musste ich mal rein… Nun ja, Internetshopping zum Anfassen, aber mein alter Bademantel, an dem sogar noch etwas Stoff hing, schrie förmlich nach einem Nachfolger.
Ansonsten gibt es heute nicht viel zu sagen. Ich bin einfach hier. Geniesse die Sonne, die Gastronomie in den Gassen der Altstadt, und blätterte im Geschichtsbuch: Die Römer waren hier, später folgten wie gesagt die Mauren, die von den Wikingern immer mal wieder auf spektakuläre Weise überfallen wurden! Diese Überfälle müssen den Bewohnern dermassen in die Knochen gefahren sein, dass alles, was danach bis heute folgte, keinerlei Erwähnung wert zu sein scheint. – Ich finde das extrem spannend: Da brechen hungrige Nordländer in ihren offenen, schnellen, kombinierten Ruder- und Segelbooten wiederholt von Haithabu auf, durchqueren die Nordsee, den Ärmelkanal und anschliessend die Biskaya, um an diesem Flecken anzulanden und für die Rückfahrt das mitzunehmen, was sie im Norden brauchten: Zuallererst Verpflegung für unterwegs, dann allerlei Wertvolles, Werkzeuge, Frauen, und – Achtung böse – andere Güter des täglichen Bedarfs.