
Diesen Morgen geht es zu einer Bäckerei, die ich am Vorabend entdeckt habe – und tatsächlich: Sie ist früh morgens geöffnet und lockt mit einem feinen Angebot. Ich decke mich ein mit diversen Köstlichkeiten, frisch zubereitet, und geniesse eine heisse Schoggi – und wundere mich selbst, wie ruhig und entspannt ich den heutigen Tag angehe: Ja, ich will nach Santander. Quer über die Biskaya.
Nun noch die Tanks auffüllen, die Notfalldispositionen durchgehen, und los geht’s. Zunächst durch die Tidenströmung der Garonne hinaus aufs Meer, dann durch die unfreundlichen hohen Wellen (was mich an den Vortag erinnert). Ich will nachsehen, wie sich das Meer ausserhalb der Küstennähe präsentiert. Und tatsächlich legen sich die Wellenspitzen; diesmal treffen die Prognosen zu und ich fahre mit angemessenem Tempo über die glatten, langgezogenen Wellen Richtung Spanien. Keine Freudensprünge, eher berg- und talbahnfahren. Wenig Wind. Das kommt gut.
Zwischen Royan und Santander, über 150 km vom nächsten Ufer entfernt, inmitten der Biskaya. Das Meer sieht keineswegs immer gleich aus – faszinierende Sonnen-Licht-Wolken-Meer-Spiele lassen mich staunen, während die ArgoFram mich Richtung Süd-Westen trägt.
Der Starbord-Motor beginnt gegen Schluss hin, nach etwa sechs Stunden schneller Fahrt, wieder blöd zu tun. Ich bleibe gefasst, reduziere die Leistung, versuche ihm genügend Benzin zu geben, und kann damit umgehen, ohne abstellen zu müssen. – Land kommt in Sicht; alles sehr gut gegangen. Ich bin stolz. Ich habe diese Direktfahrt gewagt, und ich habe sie erstaunlich routiniert durchgestanden. Mein Gesellenstück?
In Santander selbst liegt der Jachthafen wieder direkt beim Zentrum. Es ist ein ‘Club Real’, blaublütig, sehr snobbisch (die Spanier können’s auch, noch wertiger als die Engländer). Aber trotz nicht besetzten Anlegestellen seien sie voll, sagen sie, nehmen niemanden auf, auch nicht für eine Nacht. Abgeblitzt fahre ich weiter, zum noch grösseren Jachthafen ‘für die Gewöhnlichen’ weiter Flussaufwärts, am Rande der Stadt. Dort haben sie Platz, empfangen mich freundlich, ja zuvorkommend, und ich fühle mich sofort sehr wohl.
Dort sehe ich auch eine Tankstelle mit Anlegeplatz – ich steure direkt darauf zu… obwohl ich ein Schnellboot der Guardia Zivil oder der Polizei oder des Grenzschutzes dort tanken sehe. Ich ahne was auf mich zukommt, aber hey, ich habe die Biskaya gemeistert, das schnöde Abwimmeln im ‘Club Real’ mit erstaunlichem Gleichmut ertragen, ich bin voll bei mir – jetzt gilt’s, nun kann ich zeigen, wie ich aus potenziell schwierigen Beamten Freunde mache!
Prompt setzen die beiden Grenzpolizisten und die Grenzpolizistin ihr Dienstgehabe auf: Woher ich komme, wohin ich will, Ausweiskontrolle, Inspektion der ArgoFram… Ich zeige meine Papiere, kann mich allerdings nicht mehr genau an den Namen des Hafens erinnern, wo ich abgefahren bin (sie vermuten, woher ich kommen könnte, tragen eine spanische Ortschaft ins Formular ein und ich sage, das klingt gut) und erzähle über meine Reisepläne. Pflichtgemäss erstellen sie das Protokoll, finden auch noch irgendwo einen Stempel – und empfehlen mir dringend, dieses Papier immer bei mir zu tragen; im Süden Spaniens sei ihre Behörde scharf auf solch schnittigen Boote (dort blühe der Schmuggel).
Dann frage ich, was denn das für ein geiles Speedboot sei, das sie da fahren? Darauf hin beginnen sie unter ihren Masken zu schmunzeln, entfernen sie gar und lachen und beginnen ihre andere, ihre persönliche Seite zu zeigen – und ‘gestehen’, dass sie ein konfisziertes Schmuggelboot fahren, behelfsmässig umbemalt und mit ihrem Dienstzeichen versehen… Auch sie haben Fragen zur ArgoFram, denn sowas hätten sie noch nie gesehen, sind persönlich interessiert an meinem Vorhaben. Wir plaudern und unterhalten uns bestens, bis ich tanken möchte und sie weitermüssen – und wünschen mir zum Abschied ein herzhaftes ‘buen viaje’.
Nach der Dusche in der Marina merke ich, wie erschöpft ich trotz allem bin. Also kein Stadtbummel, sondern lediglich ins nahe Jachthafenbeizli, wo ich kleine Köstlichkeiten, feine Tapas esse. Das soll genügen. (Für zwei Euro neunzig bekomme ich einen Tee und ein Stück frische Kartoffel-Käse-Schinken-‘Torte’, und jedes weitere feine belegte Brötchen kostet mich eins-vierzig – was will ich mehr?!)