Natürlich habe ich nicht viel geschlafen; viel zu neugierig war ich ab dem Verlauf des Wasserstandes – als ich wieder einmal aufgewacht bin, liegt die ArgoFram und logischerweise alle Boote mit ihr praktisch auf der Höhe der Quaimauer. Schwups mit dem Lift einmal hochgefahren. Der ganze Hafen, das ganze Städtchen sieht plötzlich ganz anders aus!

Ich fahre früh weiter; das beeindruckend feine Nachtessen bleibt in Erinnerung, ebenso die Gespräche mit den Mitarbeitenden der Rettungsgesellschaft. Und der Sprachenwechsel – ich höre diesen Schotten einfach gerne zu.

Also weiter, der schottischen Ostküste entlang nach Norden, zu einem – wie ich hoffe – grösseren Hafen denn ich brauche Sprit. Und eine Dusche.

Der Hafen ist tatsächlich gross, jederzeit befahrbar, mit unzähligen Spezialschiffen, von unterschiedlichen, massgefertigten Fischerbooten bis hin zu merkwürdig dreinblickenden offshore Ölplattform- und Windfarm-Betreuungsschiffen. Von mini, wo gerade mal eine Person drin stehen kann, bis übermächtig, wo auch Helikopter drauf landen können.

Der Hafenmeister gibt mir einen Platz an ‘idealer Passantenlage’: Alle ein- und ausfahrenden Fischerboote kreuzen an mir vorbei, und entsprechend werde ich besucht und angesprochen. So gut! Aber auch intensiv! – Doch der Reihe nach: Mir gegenüber liegt das vielleicht kleinste Boot im Hafen, eine Argo (!) – so niedlich. Duschen und Toiletten im Hafen sind nicht verfügbar, Corona (mir dämmert was mit Blick zurück nach Anstruther). Benzin zum Direkttanken im Hafen gibt es nicht, dafür weit draussen, bei den Auto-Tankstellen vor der Stadt; den Handwagen darf ich selbstverständlich benutzen.

Ein Weg zur Tankstelle führt an einer schönen, langgezogenen Bucht entlang und dauert rund 40 Minuten; zurück geht’s durch die Ortschaft und weil ich mich immer auch umschaue, dauerts ein bisschen länger… Macht ja nichts; so kombiniere ich Sightseeing mit dem Nützlichen. Eine Tour reicht aber nicht, ich brauche rund 300 Liter. Umso mehr lerne ich von dieser Ortschaft kennen. Wobei, viel gibt es leider nicht zu entdecken; die Einkaufszentren befinden sich vor der Stadt, im Innenbereich stehen viele Lokale leer. Dennoch entdecke ich nebst hübsch zurecht gemachten Trödlerläden auch ein Modelabel, ein kleiner Handwerksbetrieb für mollige Ladies und ihren ungestillten Bedarf nach sexy underwear. Das strahlt in dieser schottischen Kargheit doch auch etwas Freudvolles aus! – Die drei Hotels sind zu meiner Überraschung ausgebucht, selbst eine ‘Zwischennutzung’ über Mittag (zwecks Dusche) geht nicht. Ich bin also ans Boot gebunden, mit Frischwasser vom Supermarkt.

Einmal mehr ergeben sich eindrückliche Begegnungen – mein Boot fällt auf, mit Schweizerkreuz sowieso (das aber nicht wenige mit dem roten Kreuz verwechseln), und so geben sich die Fischer und Hafenmitarbeitenden fast schon die Klinke in die Hand.

Ich mag diese eher scheuen, zumindest nicht weltgewandten Männer; in England kamen sie mir immer mit einem gewissen ‘Überschwang’ entgegen, um nicht zu sagen blöffig. Aber hier verbirgt sich Interesse hinter recht allgemeinen und unverbindlichen Fragen; die Begegnungen sind irgendwie schräg, die wortkargen Fischer knorrig, aber unendlich herzlich. Einer bringt mir später vier Fische von seinem Fang – vier Fische! Was soll ich mit vier Fischen? Ab einem wäre ich schon satt geworden (hätte aber wohl etwas mickrig ausgesehen). Nun muss ich mir überlegen, wie ich sie zubereite und einen Teil davon aufbewahre. Das sind Probleme…