Dank einem Tipp einer Seglergruppe aus Estland fahren wir von Danzig nicht direkt zur dänischen Ferieninsel Bornholm, wie zunächst vorgesehen, sondern zu einem Eiland nördlich davon namens Christiansø!
Seht mal nach auf der Karte – die Insel ist so winzig, dass sie kaum gefunden wird. GPS und Autopilot sei Dank steuert die ArgoFram direkt auf sie zu, und nach vielen Stunden Fahrt quer durch die Ostsee taucht sie genau vor uns auf. Die Einfahrt in den ‘Hafen’ ist so überraschend und kurz, dass einem fast der Atem stockt; kaum eingebogen zeigt sich, dass der Hafen zwischen zwei einzelnen Inseln liegt, die aber mit einer rund 30 Meter langen Fussgängerbrücke verbunden sind. So hübsch.
Wir ankern, gehen zum Hafenmeister, stellen uns vor, und sehen, wie die Touristengruppen vom nahen Bornholm wieder in ihre Fährboote zurückkehren – und wir, ein paar Segelboote sowie die rund 90 Inselbewohner, zur wohlverdienten Ruhe finden. Haben wir gedacht… Der Hafenmeister macht uns darauf aufmerksam, dass wir sehr gerne bleiben können. Aber es zieht Sturm auf, rascher als prognostiziert, und wenn wir nicht jetzt nach Bornholm fahren, dann sind wir auf Christiansø für die nächste Zeit festgefahren; auch die Fährboote werden kaum verkehren!
Also bleibt uns nichts weiter, als husch-husch die Insel zu Fuss zu umrunden, was keine halbe Stunde dauert, und im Naturpool den obligaten Schwumm zu absolvieren. Dann geht’s los, weiter, und wir entscheiden, nach Rønne, dem Hauptort Bornholms, zu dislozieren. Wenn wir schon blockiert sein werden, dann wenigstens an einem Ort, an dem eine gewisse Auswahl an Aktivitäten und Möglichkeiten bereitsteht (und von wo aus Martina notfalls mit dem Flugzeug den Rückweg antreten kann).
Auf der etwa einstündigen Überfahrt von Christiansø nach Rønne schlägt uns schon ein schärferer Wind entgegen, die Wellen beginnen sich aufzurichten, und kaum haben wir im Hafen festgemacht, fegt der Wind sehr steif über unsere Köpfe – der Hafen bricht zwar die Wellen, aber einen wirksamen Schutz gegen den Wind bietet er nicht, dafür liegt er zu exponiert. Und wir beschliessen, das Zelt wieder abzubauen und bei geschlossenem Kabinendeckel zu nächtigen! Das ging erstaunlich gut. Aber tagsüber über keinen eigenen Rückzugsraum zu verfügen, ist schon etwas blöd. Denn der Wind sollte noch stärker werden, zum veritablen Sturm ausarten.
Kurzentschlossen buchen wir zwei Nächte im nahen Hotel; mit etwas Glück ergattern wir ein kurz zuvor storniertes Zimmer – richtig: Sommerzeit, die Insel ist komplett ausgebucht! Entsprechend ist das Preis-Leistungsverhältnis etwas aus dem Ruder geraten, aber wir machen das Beste daraus, geniessen das SPA, das Frühstücksbuffet und die Leihfahrräder. Diese brauchen wir dringend, weil wir nachtanken müssen, denn erst jetzt erfahren wir, dass die einzige Tankstelle am Wasser auf der gegenüberliegenden Seite der Insel Bornholm liegt… Also kaufen wir zwei neue Kanister, tanken an einer Autotankstelle und machen was wir in Klaipeda schon gemacht haben, nur tagsüber und mit mehr Muskelkraft: Fit for Sprit auf Bornholm, wer hätte das gedacht?
Bornholm selbst ist ein Idyll. Es ist so schnüggelig, so ‘boring’ (wie der Hafenmeister selbst sagte!), richtig schön kleinkariert, dass es uns bald zu eng wird. Überall gibt es Hotdogs, Burger und Glacé, nichts als Hotdogs, Burger und Glacé… Dazwischen ist ausspannen angesagt; das Einzige was hier angestachelt wird ist die Phantasie, das Kopfkino – wenn tagsüber schon nichts läuft, kann man sich den Rest umso besser ausmalen. (Es soll darüber schon Fernsehserien geben, habe ich gehört.)
Einschub: Es fällt sofort auf, wie sich die Leute hier auf Bornholm – generell in Dänemark? – gegenseitig ‘motovieren’. Auf Schritt und Tritt sind alle so ungemein nett miteinander, so fürsorglich, man fühlt sich sogleich sozial eingebettet. Oder mit aufmerksamen Augen kontrolliert – denn wenn das Nudging wie hier überhandnimmt, geht der Schuss nach hinten los. Darum lobe ich mir Estland: Da gibt es zwei gänzlich verschiedene Verhaltensweisen, eine Russische und eine Estnische. Die eine wirkt etwas herrisch, gebieterisch, durchsetzungsbereit (etwa im Strassenverkehr – man sieht sogleich wer der russischen Gemeinschaft zugehörig ist). Die andere Verhaltensweise wirkt eher smart und abwartend-gelassen. Findig, würde ich sagen. Beide Verhaltensweisen unterscheiden sich grundlegend und gehören doch irgendwie zusammen. In Finnland ist schon mehr Eintracht spürbar, da gibt es einige wenige klare (soziale) Regeln – und der Rest ist Machen. Selbst anpacken. Eigenverantwortung wird grossgeschrieben. Schweden ist (ich spreche vom nördlichen Schweden ausserhalb der Grossstädte) ebenso auf Eigenverantwortung aufgebaut, aber gegenüber dem Finnischen ungemein lax, extrem Laisser-Faire. Mir persönlich schon fast etwas verantwortungsverweigernd. Aber sehr frei. – Hier also, auf dem mustergültigen Bornholm mit den artigen Dänen, gibt es kaum Gesetze, keine Polizei, aber umso mehr ‘comme il faut’. Und wahrscheinlich ist es genau das, was so viele Dänen (und Deutsche) hierhertreibt: Retro-Behausung, schöne Landschaft (liebliche Agrikultur) und sicheres Eingebettet-Sein. Ein Paradies?
Aus meiner Sicht gibt es neben der Insel Christiansø nur zwei weitere Highlights hier auf Bornholm: Das schwimmende ‘Schwimmbad’ von Hasle (eine architektonische Meisterleistung – https://www.google.com/maps/uv?pb=!1s0x4655046699a6de43%3A0x3745b77a147797ad!3m1!7e115!4shttps%3A%2F%2Flh5.googleusercontent.com%2Fp%2FAF1QipNpLjH7LSDBfxcvsDneN2RLk9R9MjSmuI9Ujf1d%3Dw162-h108-n-k-no!5shasle%20bornholm%20-%20Google%20Suche!15sCgIgAQ&imagekey=!1e10!2sAF1QipMnH_XFx2s_VQwdvFCS6mXBX8lVoiwF-WNkgjD1&hl=de sowie https://www.google.com/maps/uv?pb=!1s0x4655046699a6de43%3A0x3745b77a147797ad!3m1!7e115!4shttps%3A%2F%2Flh5.googleusercontent.com%2Fp%2FAF1QipNpLjH7LSDBfxcvsDneN2RLk9R9MjSmuI9Ujf1d%3Dw162-h108-n-k-no!5shasle%20bornholm%20-%20Google%20Suche!15sCgIgAQ&imagekey=!1e10!2sAF1QipNpLjH7LSDBfxcvsDneN2RLk9R9MjSmuI9Ujf1d&hl=de). Und es gibt den an natürlicher Schönheit kaum zu überbietenden Waldveloweg von Hasle zurück nach Rønne, besonders empfehlenswert während dem Sonnenuntergang – für alle Sinne, aktive Erholung pur!