Ein wiederum herrlicher Sommermorgen erwartet uns; wir schlendern in die kleine ‘Altstadt’ und verwöhnen uns mit Spezialitäten aus einer Bäckerei, die seit der Kindheit Martinas scheinbar unverändert geblieben ist. Doch dann brechen wir auf, wollen weiter nach Riga, der Hauptstadt Lettlands und ‘nur’ rund dreieinhalb Stunden entfernt.

Die Bedingungen sind ideal und wir erreichen Riga, eine alte Hafen- und Handelsstadt mit heute über 600’000 Einwohnern, ohne Probleme. Und das Beste: Auch hier fahren wir mit der ArgoFram direkt in die Stadt hinein; wo immer ich auf meinen bisherigen Erkundungsfahrten hinkam, der Jachthafen liegt aus historischen Gründen meist im Herzen einer Stadt oder nahe am heutigen Zentrum. Grossartig, dieses Reiseerlebnis! Alles ist in Griffweite: Marktplatz, historisches Zentrum, pulsierendes Leben.

Riga ist phänomenal: Die Altstadt lebt, im Gegensatz zu Tallinn, nicht nur für oder von Touristen. Sie ist übervoll mit Menschen die einkaufen, flanieren oder schlicht den Sommer geniessen. (Und die Preise sind noch einmal etwas tiefer als in Tallinn.) Während Tallinn mit rund 400’000 Einwohnern etwa so gross ist wie Zürich, aber eine eher kleine, sagen wir überschaubare und aufgehübschte Altstadt hat, die sehr auf den Tourismus ausgerichtet ist (fehlen die Touristen, ist Tallin wie ausgestorben), ist Rigas City auch ein Zentrum des täglichen Lebens!

Einschub: Tallinn ist die Metroploe Estalands; ein Drittel der gesamten Bevölkerung Estlands lebt hier. Im Stadtteil Pirita und im Vorort Viimsi (wo der Hafen Miiduranna liegt und Marko seinen Betrieb hat) leben die oberen Zehntausend in ihren auf modern getrimmten Villen. Im Stadtteil Lasnamäe hingegen leben resp. hausen Zehntausende in gigantischen Wohnblöcken (aus Sowjetzeit), die einzig durch riesige Einkaufszentren verknüpft sind. Wo hier das soziale Leben stattfindet, ist nicht erkennbar. Gleichzeitig floriert in Tallinn eine Kultur, die geprägt ist von jungen Entrepreneurs, die ihr Glück in den Bereichen IT, Design, Mode und Gastronomie suchen und offenbar auch finden; es gibt ausgedehnte Areale mit Startups, Boutiken und Klubs, die vergleichbare Stätde wie Zürich glatt in den Schatten stellen.

Zurück zu Riga: Auch hier konzentriert sich rund ein Drittel der Bevölkerung des Landes in dieser Stadt. Aber dadurch, dass das historische Zentrum auch das neuzeitliche Zentrum darstellt und sehr weitläufig ist, wirkt Riga homogener, irgendwie ‘runder’. Und sehr geschäftig. Riga ist dementsprechend eine grosse positive Überraschung. – Die Schattenseite der zentralen Lage des Jachthafens erlebten wir allerdings während der Nacht: Das Areal entlang des Flusses, wo unser Jachthafen liegt, ist an den Wochenenden das Ausflugsziel aller kontaktfreudiger Nachtschwärmer!..

Es ist ja nett, wenn wir als Anlieger überall ohne Covid-Zertifikat und Eingangskontrolle zwischen durchgestylten und aufgedrehten Menschen hindurchgehen können… So dass wir angesichts der endlos wummernden Beats um Mitternacht beschliessen, dann halt doch nochmals rauszugehen, mitzutanzen, und durch die diversen open-air Klubs und Parties zu streifen. Aber angesichts der heissen Rhythmen um uns herum finden wir auch danach keinen Schlaf (unser Boot liegt an einem Steg genau zwischen zwei Veranstaltungsbereichen, wo das Partyfolk vorbeiflanierte). Und morgens um Fünf, als noch immer noch kein Ende dieser Festivitäten abzusehen war, brechen wir auf! – Der Tag erwacht, die DJ’s spielen, die young beautiful people jolen – wir brechen unser Schlafzelt ab und dislozieren zur nächsten Schiffstankstelle, die ein paar Kilometer entfernt an einem idyllischen Ort liegt – die an diesem Sonntagmorgen erst um 10 Uhr aufmachen wird… So gibt es also doch noch etwas Schlaf.