Ich bin niedergeschlagen und aufgereizt zugleich! – Alle Pläne sind Makulatur: Zunächst, im Frühsommer, hat Norwegen die Grenzen dicht gemacht, wegen ‘Corona’, folglich war eine Fahrt ums Nordkap ins Weisse Meer nach St. Petersburg nicht möglich. Dann, als ich von Tallinn aus direkt nach St. Petersburg einreisen wollte (um meine Umrundung Europas mit der zweiten Etappe zu beginnen, um also von St. Petersburg via Wolga ins Schwarze Meer zu gelangen), hat Russland seine Grenzen dicht gemacht – die ganzen Mühen und Kosten für das Visum und Lenas grossartige Unterstützung waren umsonst.

Und doch will ich los, fühle mich gut vorbereitet. Und wenn es in die vorgesehene Richtung nicht geht, gehe ich eben andersrum, in die Gegenrichtung, durch die Ostsee in die Nordsee, um die Britischen Inseln, nach Frankreich, um die Iberische Halbinsel… so der nächste ‘Plan’. – Wie weit ich komme? Wir werden es sehen.

Die Bedingungen heute sind nicht optimal, ausserhalb der Bucht von Tallinn erwarten mich rund ein Meter hohe, kurzzackige Wellen und Gegenwind, aber die Luft ist klar und der Sommer scheint dieses Jahr nie zu enden (hier im Norden). Die Ausfahrt vom Hafen Miiduranna erfolgt routiniert, ohne Wehmut, wie wenn eine weitere Trainingsfahrt bevorstünde. Dabei werde ich frühestens in einem, vielleicht aber auch erst in drei Jahren hier wieder einlaufen…

Geplant waren ursprünglich Tagesetappen von rund 100 bis 150 km, was zwei bis drei Stunden Fahrt entspricht. Aber nun gilt es vorwärtszumachen; das lange Warten auf die ‘geplante’ Einreise nach Russland hat mir zwar einen wunderschönen Sommer geschenkt, aber auch der wird irgendwann enden und die spätsommerlichen Stürme im Atlantik (nördlich von Schottland und in der Biscaia) möchte ich tunlichst meiden. Darum dehne ich meine Tagesetappen nun aus – heute soll Pärnu, die Küstenstadt im Westen Estlands, mein Ziel sein.

Nach fünf Stunden Fahrt bei rauem bis ruppigem Seegang, drehendem Wind und viel Spritzwasser, erreiche ich Pärnu. Am Pier erwartet mich Martina – sie hat zwar angekündigt, dass sie kommen und mich ein Stück weit begleiten möchte, aber dass sie nun tatsächlich hier ist, ist irgendwie doch überraschend. Und freut mich natürlich sehr!

Zusammen entdecken wir diese Stadt, ein einstmaliger Kur- und Badeort, heute eine 60’000 Einwohner umfassende Touristendestination mit ausgedehntem Sandstrand, bekannt für die vielen Events (Beach-Volleyball und -Soccer), gespickt mit unzähligen Kaffees, Restaurants sowie dröhnenden Discos, und angereichert mit vielen Gästen aus Finnland und Schweden, die hier kostengünstig genüsslich Urlaub machen.