An den vielen Schiffen nach der Brücke von Kertsch vorbeizufahren ist sehr eindrücklich – doch schon werde ich gefordert: wie komme ich ohne GPS nach Anapa, zumal es jetzt bald stockdunkle Nacht wird? Ich schalte wieder einmal das Radar ein und mache einen Crashkurs, kann aber nichts erkennen oder auseinanderhalten auf dem Display und halte mich strickt an den Kompass – und denke, ein Schiff wird schon zu sehen sein mit seinen Bordlichtern. Bis am Horizont ein schwarzer Kahn auftaucht, den ich nur gerade mit seiner Silhouette wahrnehme … Ein abgedunkeltes, riesiges Kriegsschiff. Ein abgedunkeltes, riesiges Kriegsschiff? Ich lasse mich nicht beeindrucken – sie sollten wissen wer da kommt und ich denke es ist besser, klarer, wenn ich den Kurs halte, mit dem ich direkt auf Anapa zusteuere. Nach wenigen Stunden ist es soweit, die ersten Lichter am Horizont deuten darauf hin, dass ich vermutlich richtig liege. Und kurz vor der Bucht beginnt auch GPS wieder zu laufen! Volltreffer.

In Anapa selbst bleibe ich im abgesonderten Hafenteil, muss erneut die ganze Registration durchlaufen – und Lena kommt in ihr Element. Vermittelt, und öffnet Herzen. Formell werde ich in diesem Teil des Hafens bleiben, weil wir ja weiterwollen nach Sotschi. Aber wir können durch eine Art Zoll(häuschen) zu den einzelnen Ämtern und in die Stadt: eine riesige Feriendestination. Im Gegensatz zum bescheidenen/günstigen Jeisk erfüllen sich hier die Ferienträume der russischen Mittelschicht; unzählige Rummelplätze mit Riesenrädern und Diskotheken hinter dem kilometerlangen Sandstrand, mit Bars und Restaurants und Beachlife entlang der langgezogenen Küstenlinie, und dicht an dicht Liegestühle mit Sonnenschirmen – Rimini ist ein Spielplatz dagegen!

Direkt vor mir am Hafenquai liegt Sergej mit seiner Familie und der eigenen Jacht – in einem Rutsch ist er von der Türkei durch das Schwarze Meer direkt hierhergefahren. Nun reist er wieder ein und bereitet sich auf die Fahrt durch Kertsch vor (er wird bis nach Svirstroy fahren, der Ortschaft, wo ich am 26. Mai angelegt habe) … Sergej gibt mir Tipps, wo ich in der Türkei gut anlegen und tanken kann. Apropos tanken: Kaum vorstellbar, aber in Anapa gibt es keine Tankstelle direkt am Hafen! Dafür gelange ich mit den üblichen Tricks im Graubereich an Vova (und seinem Helfer), die nach Feierabend das tun was verboten ist: mit einem eigenen Tankanhänger am mittlerweile geschlossenen Zoll(häuschen) vorfahren, und meine ArgoFram – die ich mittlerweile an die Grenze des abgeriegelten Hafenteils vorgeschoben habe – über einen langen Schlauch mit Benzin füllen. (In Russland ist alles möglich. Es ist einfach eine Frage der ‘Balance’, die ich immer besser finde und verstehe.)