Die Winde stehen wieder gut, das Meer ist ruhig, ich starte früh – fahre zunächst nach Eregli (um zu tanken) und direkt weiter nach Istanbul. Und wieder, wie schon vor Sinop, türmen sich die Wogen eine Stunde vor Einfahrt zum Bosporus auf und schütteln mich gehörig durch. Im Slalom zwischen wartenden Tankern und grossen Transportschiffen fahre ich recht unbekümmert in das Nadelöhr vom Schwarzen zum Mittelmeer, zwischen Asien und Europa ein. Kein Funkverkehr, kaum Schifffahrtssignale. Ich fahre beschwingt in diese belebte ‘Strasse’ und suche meinen Hafen. Meinen Hafen! – Ja, ich habe seit Trabzon eine Ansprechperson in Istanbul, Nasin, einen Bruder des dortigen Feuerwehrboot-Offiziers Kazim.
Nasin empfängt mich, hat bereits einen Liegeplatz neben ‘seiner’ Jacht organisiert, und ist mir beim Einklarieren bei den Hafenbehörden behilflich. Die Abläufe gestalten sich erstaunlich effizient (der Hafen wird privat geführt) und ich buche für zwei Nächte: Konzentration auf das Wesentliche, auf die Hagia Sofia, einen Bazar, ein paar trendige Strassenzüge auf der westlichen, europäischen Seite, Punkt. Ich war schon einmal hier und kenne Istanbul – mit gegen 16 Millionen Einwohnern ist diese Metropole so riesig, so vielfältig, so überwältigend, dass es einem leicht den Atem verschlagen kann. Zu interessant sind die vielen kulturellen Einflüsse, die hier zusammenkommen. Darum: short and sweet.
Zu Nasin: Er ist quasi Privat-Kapitän eines reichen Istanbulers; er pflegt dessen Jacht und steht Tag und Nacht bereit, wenn es seinen Chef gelüstet, eine Ausfahrt in den Bosporus zu unternehmen oder auch darüber hinaus. Er wird zum wertvollen Vermittler in und rund um den Jachthafen dieses wohlgeordneten inner-Istanbuler Stadtteils. Fun-fact: Einer der Bootsnachbarn bringt mir schon kurz nach Ankunft eine neue, prächtige Türkei-Flagge … Es ist eine gute Gepflogenheit, dass ein Bootsführer neben der Heimat-Flagge auch eine Flagge des bereisten Gast-Landes hisst – meine Türkei-Flagge ist jedoch bereits arg gebeutelt und etwas ausgefranst. Das geht gar nicht, nicht in der Türkei, wo entlang des Bosporus riesige rote Flaggen mit dem weissen Halbmond-Stern das Ufer zieren (oder besser: überstrahlen). Mich irritiert diese gouvernementale Überhöhung, und doch schätze ich dieses Geschenk meines Nachbarn. Und wechsle meine Türkei-Flagge mit einem Zwinkern. Alle Umstehenden klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und prosten mir zu.