Gavdos – mein Ziel heute, der südlichste Punkt Europas!
An der Südseite Kretas herrschen hervorragende Bedingungen (während im Norden die Wogen toben) und ich fahre entlang der kargen, bergigen Küste Kretas bald in Karave ein, dem beschaulichen Hafen im Osten dieser Insel. Rund dreihundert Menschen sollen auf Gavdos leben, verteilt auf ein paar Dörfer und Höfe. Plus eine unbestimmte Anzahl ewiger ‘Aussteiger’. Zwei Polizisten halten die Festung, und natürlich war im Büro niemand anzutreffen, um meine Dokumente abzustempeln. Respektive: die eine Polizistin hat später an der Anlegestelle alle Hände voll zu tun, als das Fährschiff eintrifft, um die Wartenden in Reih und Glied zu stellen, damit die Ankommenden die Fähre überhaupt verlassen können – ein köstliches Spektakel.
Hier am Hafen, in Karava, das aus einer Anlegestelle, drei oder vier Gebäuden sowie einer Ruine und nebenan einem kleinen Strand (mit herrlich klarem Wasser!) besteht, gibt es eine Gaststube, eine Art Restaurant mit einigen Gästezimmern. Hier habe ich dieses Ehepaar getroffen, das seit Jahrzehnten die ankommenden wie abfahrenden Gäste versorgt. Irgendwie konnten wir es gut zusammen, obschon der Ton mit den übrigen Touristen eher rau ist. Man kennt sich hier, dann muss man nicht viel sagen, oder man kennt sich nicht, dann muss man auch nicht viel reden … Jedenfalls habe ich hier gegessen, alles frisch vom Fährschiff, habe abends meine Korrespondenz geführt, Notizen verfasst. Und habe auch am nächsten Morgen – obschon mittendrin – meine Ruhe.
Ich konnte ein e-Bike mieten, die Insel auf Schotterwegen umrunden, und in einem mehrstündigen Marsch zum allersüdlichsten Punkt vordringen. Wo ein übergrosser Stuhl steht. Genial. Dieser Hochsitz mit Blick nach Süden, hinaus aufs Meer, ins Nichts … Ein paar Unentwegte zelten entlang den Buchten, andere kommen wie ich hierher, zu diesem Endpunkt, nur um noch weiter in den Süden, noch weiter aufs Meer hinauszuschauen. Hier ist im Grunde nichts, ausser eben der Stuhl und das Wissen, ohne es wirklich zu begreifen, dass irgendwo dort drüben Afrika beginnt. Real ist hingegen das Meer, dieses Wasser. Dieses unfassbar klare, warme und angesichts der brütenden Hitze doch auch frische Wasser. Ein Sehnsuchtsort. Hier will ich, wie ich es im nördlichen Teriberka tun konnte, im kommenden Winter nochmals hinkommen!