Es kam, wie Georges vorausgesagt hatte! – Ich wähle keine direkte Route, sondern ziehe etwas nördlicher meinen Weg, frontal auf die Wellen zu. So, wie ich es in der Ostsee praktiziert habe. Aber das Intervall der Wellen ist nun etwas länger, drei bis vier Sekunden, und vermutlich sind sie auch etwas höher … Ich muss das Tempo runternehmen. Und ich realisiere, dass hier nicht ein frontaler Angriff, sondern eine etwas ‘schrägere’ Fahrt die bessere Wahl sein könnte. Ich versuch’s einfach mal aus. Verschiedene Winkel, unterschiedliche Tempi. Aber was auch immer ich tue, es schaukelt, Wasser klatscht gegen meine Scheibe und damit auch mir direkt ins Gesicht.
Ich nehme mein Tempo noch mehr zurück. Und schaue mich um – zu weit draussen, als dass sich eine Rückkehr aufdrängen würde. Da geh ich durch, entspannen … Und sehe, bei meinem Rundblick, wie das Wasser um mich (dank der wandernden Sonne?) seine Farbe ändert, vom dunklen, dürsten Blau zum freundlich einladenden, warmen Hellblau. Und ich meine zu spüren, dass ich getragen werde – nicht nur von der ArgoFram, sondern auch vom Meer – ich fühle mich angenommen!
Es bleibt keine Musse, mich solch esoterischen Gedankenspielen hinzugeben. Jetzt ist es einfach so, dass ich mir Zeit nehmen möchte (und muss), und ohne Hast in einem weiten Bogen auf die Insel Karpathos und deren Hafen zusteuere. Ich lege an, erhole mich bei einem Spaziergang durch die Häuserzeilen, gönne mir ein Glacé, kehre zurück zum Hafen und mache mich auf zur zweiten Runde in diesem Spiel. Ja, es ist ein Spiel, kein Kampf. (Kampf, das war einmal.) Jetzt versuche ich ‘mit dem Wasser’ zu gehen …
In Ireapetra auf Kreta bin ich gleichwohl völlig genudelt. Am Hafen treffe ich auf Michael – er hilft mir beim Vertäuen. Und gibt mir eine kurze Einführung über das Leben an der Südküste Kretas, die etwas abseits der Touristenströme liegt, aber entlang der Hafenmole dennoch gut besucht ist. Ich bedanke mich und muss mich noch ‘anmelden’, hoch offiziell. Aber wie schon auf den kleineren Inseln und Ortschaften sind auch hier die Behördenvertreter zwar da, irgendwo, oder eben gerade nicht, wer weiss das schon. Jedenfalls kann ich meiner Melde- und Registrierungspflicht oft nicht nachkommen, weil die Öffnungszeiten nicht mit meinen Ankunfts- und Abfahrtszeiten übereinstimmen, sofern überhaupt Öffnungszeiten angeschlagen sind … Wie auch immer: nach ein paar Tagen führen wir meine Dokumente nach resp. weiter, mit Auslassungen, Notizen und Anmerkungen, die ich nicht zu verstehen brauche. Sie werden von den nachfolgenden Beamten auch nie gelesen. – Ich liebe dieses Griechenland. Will sich ordentlich geben, superkorrekt, um dann auf so sympathische Art immer wieder ‘schwach’ zu werden.
Ich muss mich konzentrieren; es war trotz allen guten Gefühlen eine schwierige Fahrt, eine lange Fahrt – es dunkelt bereits ein. Darum heute kein Festessen, ‘nur’ einen griechischen Salat, und ein Gyros, grosse Portion. Und schlafen! Einschlafen mit dem guten Gefühl, heute endlich erlebt zu haben, vom Wasser angenommen und getragen zu werden. Ich denke: ich und das Meer, wir könnten noch Freunde werden.