
Kurzer guter Schlaf. Der Ausflug gestern Abend hat sich tief eingeprägt. Fühle mich glücklich. Extrem verbunden mit einer geliebten Person. – Die beiden Meere (sofern es das überhaupt gibt) greifen hier an der nördlichen Spitze bei Skagen sichtbar ineinander, auch farblich, und auch im übertragen Sinn! Dieses Bild fasziniert mich, und begleitet mich weiter.
Auf meinen Rundgängen gestern habe ich mehrere Schweizer getroffen; einen besuche ich nun auf seinem Segelboot in einem Hafen nebenan. By the way bin ich in zwei Bäckereien eingekehrt und habe mir jeweils ein leckeres ‘Schmuckstück’ herausgepickt. Alles fühlt sich so leicht an. Süsse Freude.
Aber dann geht’s weiter. Winde und damit unnötige Wellen sind angekündigt, ich will los. Der Zufall will es, dass ich mich genau nordwärts halten muss, um zwischen den Fronten hindurchzukommen, und gelange so in den Fjord von Larvik. Bei der Einfahrt in den Fjord biege ich gleich links ab (weil ich eine Tankstelle erblicke) und entschliesse mich, hier zu bleiben, im Hafen dieses Vorortes namens Stavern. – Ein weiterer Zufall will es, dass ich bei meiner Einfahrt von einem Schlauchboot-Enthusiasten beobachtet werde… Kurzentschlossen steuert er auf mich zu, und wir kommen rasch ins Gespräch. Björn, so heisst der liebe Kollege, nimmt mich sogar mit auf eine Spritzfahrt zu einem seiner Lieblingsplätze, einem kleinen Archipelago etwas ausserhalb dieses Fjords. Heimelige Inselwelt.
Dann zurück und Bootswechsel, nun steuert er die ArgoFram (gefällt ihm gut). Und erzählt, angesprochen auf den Namen meines Expeditions-RIB, wo die originale Fram gebaut worden ist: in Rekkevik, genau gegenüber, auf der anderen Seite dieses Fjords! – Heute fällt mir alles zu.
Am nächsten Tag fahre ich mit meinem Klappvelo um den ganzen Fjord herum, durch Larvik hindurch, um an jener Stelle in Rekkevik einen Augenschein zu nehmen, wo man vor 130 Jahren die Fram gebaut hat. Man stelle sich das einmal vor: an einer geeigneten Stelle (von wo aus man ein Schiff leicht vom Stapel laufen lassen kann) wird extra einen Hangar erstellt, quasi um das zu bauende Schiff herum, um alle Freiheiten zu haben, das spezifischste aller bis anhin entworfenen Schiffe auch wirklich zu bauen – ein Schiff für die nördlichsten Breitengrade, das im Packeis nicht zermalmt wird, sondern sich vom Packeis einschliessen und mit dem Packeis treiben lassen kann. Mit dem Ziel, eine mehrjährige wissenschaftliche Arbeit inklusive Schutz der Besatzung zu ermöglichen. – Heute wissen wir, dass die Mission nicht nur erfolgreich erfüllt, sondern in mehrfacher Weise übertroffen wurde (siehe https://circumnavigate.blog/argofram/). Leider erinnern ausser einigen Schautafeln und in den Boden eingelassene Steine nichts mehr an diesen Werkplatz; die Erde dreht sich weiter… Heute besteht hier, in diesem verschlafenen Vorort von Larvik, ein nüchterner, ‘renaturalisierter’ Spiel- und Freizeitpark.
Überraschung: Lois meldet sich. Sie hat meine Instagram-Berichtchen verfolgt und fragt, wie es mir geht – und ob sie mich begleiten könne auf dem weiteren Weg um Norwegen… Ich sage, dass das Wetter nichts Sommerliches verspricht, dass es unseren Fahrplan bestimmen wird, dass ich also weder Ort noch Zeitpunkt angeben kann, wann wir wo sein werden, und ja, dass es mich freuen würde, wenn sie mich begleitet. – Sie schaut die Flugpläne an und entscheidet sich, am nächsten Tag nach Oslo zu fliegen (Rückkehr ungewiss). OK. Bleibe ich einen Tag länger, was mir die Gelegenheit gibt, nach vielen Jahren erneut einen Augenschein in Oslo zu nehmen.
Mit dem Zug geht’s hinein in das Nervenzentrum Norwegens, und ich staune wie sich diese Stadt entwickelt hat und weiter daran ist, sich mit markanten Gebäuden von seinem Image einer verschlafenen Hauptstadt zu lösen, und zu einer pulsierenden, vor Lebensfreude sprühenden City zu werden. – Und schon steht Lois vor mir; wir fahren zurück nach Larvik, wo ich meine ArgoFram in einer etwas sterilen Hafenmole parkiert habe, und mit ihr weiter nach Stavern, wo wir die Weiterfahrt vorbereiten.
Norwegen ist teuer, an der Tankstelle bezahle ich fast drei Euro für einen Liter Benzin, also über drei Franken! – Alles ist teuer hier, teurer noch als bei uns in der Schweiz. (Aber, nach allem, was ich bisher gesehen habe, nicht unbedingt besser.) Das Land hat Energie im Überfluss, Oel und Wasserkraft/Strom, dazu (Zucht-)Fisch, dieses schwimmende Gold – und Weite, Platz, Ruhe. Da kann man sich die Wohlfahrt etwas kosten lassen…
Nun bin ich gespannt, wie sich mein Norwegen-Bild entwickelt. Mein Ziel ist, um das ganze langgezogene Küstenland herumzufahren, von Larvik bis nach Kirkenes, vom Süden bis in den fernen Nordosten, also um das Nordkap herum, rund 2’700 km. Mein Wunsch ist, von dort nach Russland einzufahren, was derzeit nicht möglich ist (weil die russische Grenze weiterhin geschlossen ist, angeblich wegen Covid). Aber ich will nicht so weit denken, will erst einmal drauf zu fahren. Will sehen, was ist.