
Wir geniessen unsere Freiheit. Und doch lastet das Abschiednehmen auf unseren Herzen… Ich begleite Martina zum Flughafenzug, der sie über die fast acht Kilometer lange Brücke, über die Meerenge zwischen Malmö und Dänemark, direkt nach Kopenhagen Airport bringt.
Wir machen’s kurz, ein Kuss, die Türe schliesst sich. Der Zug fährt ab.
Ich gehe zurück zu meiner ArgoFram, drücke den Zündschlüssel, und weiter geht’s.
Draussen ist es rau! – Das Wasser peitscht mir über den Windschutz ins Gesicht. Aber ich halte Kurs, fahr drauflos, schüttle mich durch. Nun bin ich wieder auf mich allein gestellt… Tief durchatmen, entspannen…
Backbord kommt mir ein schwedisches Rettungsboot entgegen, eine Mischung aus RIB und Powerboot, ca. fünf Meter länger als meine ArgoFram, mit geschlossener Kabine, tolle Maschine. Ich denke, sie sind auf einer Übungsfahrt, denn keine hundert Meter dahinter folgt ein dazugehöriges Jet-Boot. Sie arbeiten immer im Verbund – das Rettungsboot fährt zur Unfallstelle, das Jet-Boot wird dann erst zu Wasser gelassen. So sind sie agil und effizient, können im Teamwork verunfallte Menschen einsammeln und aus den Wogen hieven. – Coole Typen, diese Jungs. Sie gehen heute raus, weil sie vorbereitet sein wollen, wenn sie im Notfall helfen müssen. Nein: Sie wollen helfen, wenn nötig. Darum üben sie heute. Wie bei uns die Bergrettung. Hochachtung!
Bald fahre ich in Helsingborg ein. Im Hafen sehe ich eines dieser neuartigen ‘Segelboote’ mit zwei kaminartigen Rotorblättern. So kann man unabhängig von der Windrichtung Energie aufnehmen und Kurs halten, also auch frontal gegen die Windrichtung. Dieses Boot wird wohl gerade überholt, steht erhöht im Trockendock – längst fällig, dass dieses in der Theorie funktionierende Konzept auch in der Praxis erprobt wird. Resultat offen. Hoffentlich wird’s was.
Der Hafen ist weiträumig, um nicht zu sagen riesig. Ein Teil steht der Industrie zur Verfügung, der andere den Freizeitkapitänen. Moderne, eigenwillige Gebäude säumen die Hafenanlagen – ich freue mich auf diese Stadt, die einen mittelalterlichen Kern hat und nun gewaltig expandiert. So fahre ich nördlich der Küste entlang in die neuen Quartiere und Freizeitanlagen.
Auch die Leute machen sich auf die Socken, lassen sich vom nasskalten, windigen Wetter nicht abhalten. Im Stadt-Zentrum stehen Pavillons; ein Kulturfest beginnt, Helsingborg will als Kulturstadt wahrgenommen werden (es läuft ein politisch motiviertes Programm von 2021 bis 2024). Kennen wir doch von Basel – Kultur ist, wenn Künstler unter sich Geld verprassen?
Zumindest hier scheinen die Aktivitäten unter Einbezug der Bevölkerung stattzufinden. Alles wirkt inklusiv, familiär, nicht aufdringlich. Und auf dem Hügel beim alten Festungsturm finden open-air Konzerte statt, den ganzen Tag bis weit in die Nacht hinein. Festbetrieb im kühlen Regenwetter. – Aber nimmt wirklich die ganze Bevölkerung teil? Zweifel kommen auf: die Webseite dieser Kulturinitiative ist in schwedischer, englischer, arabischer, bosnischer und kurdischer Sprache abgefasst… Aus gutem Grund. Doch niemand aus dem nahöstlichen Kulturkreis ist zu erkennen – Frauen mit Kopftuch sind in der Stadt vereinzelt anzutreffen, scheinen offen zu sein für das Gastgeberland oder einzukaufen. Die Herren der Schöpfung gehen nur in Gruppen ‘hinaus’ (das war in Malmö deutlich zu sehen), bilden Rudel. Merkwürdig – wie will da Integration gelingen, wenn sie sich so abkapseln? Zumal die Schweden wirklich sehr offen sind. Und zuversichtlich. Noch.
Unabhängig davon: überall in der Stadt und entlang der Küste stehen Freizeitsportanlagen, Trendiges und auch Krafttrainingsgeräte zur freien Benutzung – ich hänge mich rein… Tut gut, probiere alles aus, ohne Ehrgeiz.