
Wir brechen früh auf, sind bald in Almerimar, einem der Küstenlinie vorgelagerten Nest (im positiven Sinn). Eigentlich sind wir nur hier, um zu tanken und um die Füsse zu vertreten, aber dann geschieht etwas sehr Eigentümliches: wir erleben hautnah, wie die spanische Zollbehörde auf See zwei Schmugglerboote aufbringt, die Bande in den Hafen zwingt, die vier Verdächtigen verhört, und die Ladung, bestehend aus unzähligen Kanistern – was da wohl drin sein mag? – zur Beweissicherung umlädt. All das geht sehr routiniert über die Bühne. Spannend.
Dann entscheiden wir uns, doch noch etwas länger hier zu bleiben; es ist einladend schön und wir gehen baden, fein essen, spazieren… Die Sonne brütet heftig, wir sind bald ermattet.
Am späten Nachmittag geht’s weiter nach Garrucha. Wir denken uns nicht viel, legen an, schlafen, und wollen am nächsten Morgen weiter. Der Hafen und die Hafenmitarbeiter sind irgendwie ‘komisch’; wir können keine Beziehung herstellen, also raus hier, trotz der starken Brandung. Aber was für eine Überraschung: die Wellen sind derart wuchtig, dass es uns fast die Sprache verschlägt. Ich versuche uns über die ufernahen Brandungswellen zu ziehen, um weiter draussen (hoffentlich) in ruhigeres Fahrwasser zu kommen, aber nichts da. Immer wieder fast mich Martina mit der rechten Hand an meinen linken Arm, mit dem ich das Steuer halte (rechts drossle oder steigere ich je nach Situation das Tempo), was mich ablenkt, ja richtig stört, und ich werde laut. – Es ist offensichtlich, dass es ihr nicht mehr geheuer ist. Mir auch nicht, wenn ich ehrlich bin – ich wollte uns ‘souverän’ rausbringen, und trotz innerer Anspannung entspannt wirken. Gelang wohl nicht. Es ist heikel bis kritisch, was wir da tun. Also zurück!
Umzukehren ist aber gar nicht so einfach, denn ich muss einen der unzähligen Wellenberge so erwischen, dass es uns nicht kippt beim Manöver! Denn jede Wendung braucht Platz, aber die Wellenberge stoppen nicht einfach, sondern brausen immer von neuem heran. Tempo zurück nehmen ist aber auch nicht so schlau, weil wir dann mehr treiben als uns aktiv mit resp. gegen die Wellen bewegen, und damit die Kontrolle abgeben… Nicht gut.
‘Igendwie’ gelingt es mir, die Kurve zu kriegen, und ich mache dann exakt das, was bei ich den vielen Videos australischer Küstenrettungsdienste, die ich mir auf Youtube angesehen habe, gelernt habe: von hinten auf einer Welle aufsitzen und das Tempo so anpassen, dass ich mit resp. auf einer Welle (hinter ihrem Kamm) mitreite, bis wir zur Hafeneinfahrt zurückkommen. Nicht zu schnell sein, sonst kippts uns nach vorne unten, über den Wellenkamm hinaus in die Tiefe, aber auch nicht zu langsam, damit uns die nachfolgende Welle nicht überrollt. Balance halten? – Gelungen!
Der Versuch, bei diesem hohen Wellengang ‘auszubrechen’, ist also gescheitert. Aber gleichzeitig erkenne ich, dass ich eine einmalige Chance habe, mich dieser Herausforderung noch einmal zu stellen und unter extremen Bedingungen (aber bei Wärme und Sonnenschein) zu üben. – Im ruhigen Wasser des Hafens sage ich Martina, dass ich nochmals raus will um zu ‘trainieren’, und frage sie, ob sie mitkommt. Sie ist dabei! Also sprechen wir uns ab; sie soll ihre Hände an den Griffen halten, damit ich ohne Behinderung steuern und Gas geben oder wegnehmen kann. Gleichzeitig spüre ich, wie mir ihre Energie gut tut und wie sie mich damit unterstützt. Also los!
Wir kurven draussen durch die Wellenberge, drehen, kreuzen, überwinden die Kämme in verschiedenen Winkeln und ich merke, wie sich meine Schultern entspannen. Es geht, komme mit diesen Wellen immer besser zurecht – nicht um den nächsten Ort zu erreochen (offenbar ist die ganze Küstenlinie mit diesen Wellen, die von Osten her kommen, übersäht), sondern um hier eine Lektion zu absolvieren, der ich sonst ausgewichen wäre und nie gelernt hätte.
Unweigerlich kommt mir die Fahrt von Marahamn bei Nyborg (Schweden) nach Marjaniemi auf Hailuoto (Finnland) in den Sinn, wo ich über anderthalb Stunden in einer ähnlichen Situation fast in die Hosen gemacht habe. Diese Wellen hier in Spanien sind höher, aber erstens bin ich schon etwas erfahrener, und zweitens nicht mehr auf mich allein gestellt. Ich spüre die Unterstützung durch Martina, die ich nicht näher hinterfrage, sondern einfach annehme.
Zurück im Hafen werden wir schon erwartet; die Leute haben uns zugesehen und sich wohl an den Kopf gelangt, was diese Nordeuropäer da wohl versuchen. (Und mir fällt auf, dass ich nicht mal nachgefragt habe vor dem Auslaufen, wie die Fischer und Hafenarbeiter die Wellensituation einschätzen…) – Wir legen erneut an und beschliessen, das nächstbeste Hotel aufzusuchen und uns den Rest des Tages zu verkriechen (was uns sehr, sehr gut tut).
Dieses Erlebnis hat uns so richtig zusammengeschweisst. – Mitten in der Nacht gehen wir nochmals raus, essen am Strand im Dunkeln unser Picknick-Nachtessen, blödeln vor uns hin, bevor wir wieder ins Hotel zurückkehren… und sehr spät am nächsten Tag unser Frühstück geniessen.