Die Bedingungen sind sichtlich perfekt, aber ich vergewissere mich trotzdem bei den Fischern, bevor ich auslaufe! – Alles bestens, also los, auf Richtung Lissabon.

Ich fahre weiträumig vom Ufer entfernt; von Nazaré und seinen Monsterwellen bekomme ich nichts mit und überlege nur: will ich tatsächlich nach Lissabon hinein? Ich kenne diese Stadt, war immer mal wieder dort (und immer aufs Neue überrascht von seiner Vitalität und insbesondere von den süssen Angeboten in den Auslagen der Bäckereien…). Aber diese Stadt ist riesig; mehrere Häfen für Freizeitboote liegen in der Bucht bereit, welchen soll ich ansteuern? – Ich wäre aber in jedem Fall weit ausserhalb des Zentrums, hätte zwar mein Velo, aber will ich mir dies jetzt wirklich antun, nur um nochmals dort zu sein, wo ich schon mehrfach war?

Schliesslich fahre ich vor den Toren der Stadt in den Hafen von Cascais, fülle vorsichtshalber meine Tanks, entscheide danach wie weiter. Bin offen für alles. – Cascais ist ein nobler Schickimicki-Ort; die Gebäude rund um den Hafen und entlang der Küste erschien grossartig; Pracht und Bluff vereinen sich. Hier ‘parkieren’ und dann ab ins Zentrum der Metropole?

Während dem Auftanken kommt mir ein smarter junger Herr entgegen, mit entwaffnendem Lächeln, und erkennt auf Anhieb, worum es wegen meiner ArgoFram gehen muss: «auf Expedition?», fragt er. So kommen wir ins Gespräch… Und bald wird klar, dass es jetzt am besten ist, wasserwettermässig, gleich weiterzufahren nach Sines. Denn die See in der weiten Bucht zwischen hier und Sines ist zwar bewegt, aber der Wind steht günstig: Ein lang gezogener Wellensprint für meine ArgoFram, das wird ihr gefallen.

Der junge Herr versteht etwas von RIBs, merke ich, und frage ihn, woher er seine Kenntnisse habe. Diese seien sein Beruf, sein Hobby, seine Leidenschaft; sein Herz habe zu schlagen begonnen, als er mich in den Hafen habe einfahren sehen. Also sei er (wie ein Cowboy aufs Pferd) in sein Schlauchboot gesprungen und zu mir gefahren.

Er heisst Felipe Diaz, ist Hafen- oder Bootsmeister von Cascais, unterhält eine Facebook-Seite zu allen Aspekten von RIBs, habe tausende von Followern, und fragt nun, ob er mich, meine ArgoFram und mein Projekt darin vorstellen und mit seiner Community teilen darf. – Kar doch; voilà: https://www.facebook.com/groups/580962955672284/permalink/1288943124874260/

https://www.facebook.com/groups/580962955672284/permalink/1288289304939642/

https://www.facebook.com/groups/580962955672284/permalink/1288287191606520/

Zum Schluss überreicht er mir noch einen Kleber seiner Gruppe, den ich spontan an prominenter Stelle anbringe. Dann fahren wir gemeinsam hinaus, und er macht von seinem Boot aus noch ein paar Aufnahmen – wir winken uns zu und ich ziehe weiter. Kurz und intensiv, diese Begegnung; ich bin zwar nicht auf Facebook, aber ich denke, wie werden in Kontakt bleiben.

Bald schon fahre ich in Sines ein – erneut ein langer Fahrtag. Aber OK, so ist das jetzt. Und kaum angekommen hüpfe ich ins Wasser und schwimme kreuz und quer durch die Badebucht, erfrische mich auf diese Weise, und steige bald hoch, vorbei an der Statue von Vasco da Gama, ins verwinkelte Altstädtchen und geniesse einfache aber gute lokale Kost.

Zurück vom Mahl spazierte ich diesmal bewusst an Vasco da Gamas Denkmal vorbei – denk mal… Was hat der nicht alles gewagt (und gewonnen): im Juli 1497 fuhr er, 28-jährig, als Befehlshaber von drei Segelschiffen von Portugal aus Richtung Süden, umschiffte das Kap der Guten Hoffnung, erklomm die Afrikanische Ostküste, legte sich mit Arabischen Aussenhandelsposten an (die den Handel mit Indien und insbesondre den Gewürzmarkt beherrschten), und steuerte dank Diplomatie, Versprechen von Privilegien und rücksichtsloser Gewaltanwendung ein Jahr später Goa an – zum ersten Mal erreichte ein europäisches Schiff auf dem Seeweg südlich um Afrika Indien! Entsprechend wurde er nach seiner Rückkehr in Portugal gefeiert.

Mit weiteren ausgedehnten Fahrten nach Indien (auf seiner zweiten Fahrt nahm er gleich 21 schwer bewaffnete Schiffe mit) legte Vasco da Gama den Grundstein für das portugiesische Kolonialreich in Afrika und Indien.

Jetzt, da ich mit dieser Statue ins weite Meer hinausblicke, überfällt mich ein Schauder der Bewunderung – es ist nicht an mir, oder an sonst jemandem, diese Leistung zu bewerten. Er tat, was er tun wollte, weil er es eben tun konnte! Das war von rund 500 Jahren, das muss man sich einmal vorstellen! Die einen segelten nach Westen, entdeckten und eroberten Amerika, er aber richtete sich nach Osten, und eroberte den Markt für und von Indien. Und das kleine Portugal entwickelte sich mit Cleverness zum Weltreich.

Auf seiner vierten Reise, 1524, bei der er dem Schlendrian der portugiesischen Verwalter im Auftrag des Königs durch radikale Reorganisation Einhalt gebot, ist er im Alter von 55 in Cochin gestorben – ich habe vor einigen Jahren, als ich während meiner Weltreise in Westindien/Goa vorbei kam, seine Grabstelle besucht, habe seinen Werdegang studiert und die Vorteile der damaligen portugiesischen Hochseeschiffe (die durch die Segelstellung unabhängig von vorherrschenden Winden segeln konnten) und neuartigen Feuerwaffen begriffen. Und nun stehe ich hier, blicke mit ‘ihm’ aufs Meer – und staune ab mir selbst.