
Vom Jachthafen des Kanals bei Inverness geht es direkt zur fünfstufigen Schleuse; jede Kammer bringt die ArgoFram rund drei bis vier Meter höher. Dann folgt noch die eine oder andere Schwenkbrücke und eine weitere Schleuse, bis ich endlich ins Loch Ness einfahre – ein langer, schmaler Wassergraben von rund 35 km Länge und 2,5 km Breite, der sich hier durch die Highlands zieht. Vom Monster keine Spur. Aber die Szenerie ist atemberaubend.
Fahrtechnisch ist dieser See ein Kinderspiel; in einer halben Stunde bin ich bei Fort Augustus in der Mitte des Gret Glen.
Fort Augustus ist ein kleiner Fleck mit grosser Anziehungskraft für vielerlei Touristen (Araber, Inder), die sich warum auch immer mit den Autos hierher verirrt haben. Vielleicht sind sie wegen der sechsstufigen Schleuse hier? Vor rund 200 Jahren erbaut, ist sie eine Meisterleistung der damaligen Ingenieurskunst, die mich zum Scheitelpunkt dieses Kanals bei Loch Oich bringen wird. – Andere Touristen, meist Engländer, mieten sich ein Kanalboot und fahren relativ komfortabel in einer Woche durch diesen Kanal. (Und es ist lustig anzusehen, wie diese Touristenboote in den Schleusenkammern hin und her schaukeln, während Wasser ein- oder Wasser abgelassen wird.) Fort Augustus ist Ideal um zu verweilen, um ein Eis zu essen oder um etwas zu trinken, denke ich mir. Nichtstun-Stimmung bei blendendem Sonnenwetter!
Ich entschliesse mich spontan hier zu bleiben, hier zu übernachten. Fühle mich selbst in Nichtstun-Stimmung. Oben an der fünfkammerigen Schleuse angekommen, lege ich meine ArgoFram am Schiffssteg an und mich in die wärmende Sonne.
Am nächsten Morgen kommen zwei SUP-Paddler auf mich zu, wollen die ArgoFram ansehen; wir kommen ins Gespräch: Sie sind wie ich am Tag zuvor in Inverness aufgebrochen, und wollen durch den Kanal, leicht wackelnd, aber aufrechtstehend auf ihrer schwimmenden Unterlage. Auch das gibt’s!
Die gefallen mir, die beiden Paddler. Genauso wie das alte Ehepaar, er schon über 80, sie eine rüstige toughe Lady mit sportlicher Ausstrahlung, die mit ihrer 11-Meter-Jacht hinter mir Halt gemacht haben. Sie gehen etwas wandern – und ich weiss nicht, was mich an ihnen so fasziniert. Aber die gehören irgendwie zusammen, das ist klar (wie das etwas jüngere Paar im RIB, das ich vorgestern kennengelernt habe). Die sind perfekt aufeinander eingespielt. – Nach der Morgenwanderung geht er etwas schlafen; sie bleibt an der Sonne auf Deck am Lesen und Werkeln. Und als er wieder erholt ist, gehen sie ein weiters Mal ins Grün hinaus, das sich um uns herum ausbreitet. Diese Beiden sind ein starkes Team, das stimmt spürbar. Ich bin beeindruckt.
Ansonsten ist heute Nichtstun-Tag. Ausser dass ich an meinen Berichten schreibe, die Wäsche wasche, die Tanks auffülle (und etwas trainiere). Es reicht mir vor lauter Nichtstun nicht einmal rechtzeitig zum Glacé-Stand; als ich vor der Türe stehe hat der schon geschlossen, obwohl die Sonne noch kräftig zu uns hinabscheint.